Bochum. . Die Gesundheitsindustrie schafft neue Jobs im Ruhrgebiet. Firmen wie die Software-Schmiede Visus profitieren davon. Gerade die Opel-Stadt Bochum setzt auf das Geschäftsfeld Gesundheit. Dass Firma wie Visus im großen Stil Opelaner einstellen, ist aber unrealistisch.

Andere reden über Opel, Jörg Holstein kümmert sich ums Geschäft. Doch ganz ohne Opel kommt auch die Geschichte über Holsteins Firma Visus nicht aus. Das Bochumer Unternehmen gehört zu den Vorzeigebetrieben der Gesundheitsindustrie im Ruhrgebiet. Vor zwölf Jahren ist Visus an den Start gegangen, als Existenzgründung an Dietrich Grönemeyers Institut für Mikrotherapie in Witten-Herdecke. Mittlerweile beschäftigt Visus etwa 100 Mitarbeiter. Allein in den vergangenen drei Jahren hat sich die Belegschaft verdoppelt. Damit gehört die Firma zu den Hoffnungsträgern in der Stadt Bochum, die angesichts der ungewissen Zukunft des Opel-Werks nach einer neuen wirtschaftlichen Identität sucht.

Was bleibt, wenn Opel geht? Und was kommt? Nicht einmal Ur-Bochumer wie die Grönemeyer-Brüder können sich auf eine Antwort einigen. „Opel ist Bochum und Bochum ist Opel“, meint der Musiker. Doch sein Bruder Dietrich Grönemeyer will weniger zurück als vielmehr nach vorne blicken. Auf eine „positive Perspektive für die Opelaner“ komme es nun an, sagt er – und diese biete sich insbesondere in der Gesundheitswirtschaft des Ruhrgebiets: „Das ,Medical Valley Ruhr’ hat rund 300.000 Arbeitsplätze. Es hat schon viele umgeschulte Bergleute aufgenommen und sucht neue Kräfte.“

Auch Thomas Westphal, Chef der Wirtschaftsförderung Metropoleruhr, gerät ins Schwärmen, wenn er über die wachsende Gesundheitsbranche im Revier spricht. „Die Gesundheit ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor“, sagt Westphal. Er spricht von einem „Leitmarkt für das Ruhrgebiet“ – mit Unternehmen, die jährlich 12,6 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften.

Produkte und Ideen aus dem Revier sollen Exportschlager werden

Die Gesundheitswirtschaft gilt mittlerweile als die bedeutendste Einzelbranche in NRW. Allein im Ruhrgebiet gibt es Schätzungen zufolge 130 Krankenhäuser, 9000 Haus- und Fachärzte, 1100 Pflegeheime und ambulante Dienste sowie 1400 Apotheken. „Wir wollen dafür sorgen, dass der Heimatmarkt zu einem Referenzmarkt wird“, erklärt Uwe Kremer, Geschäftsführer von Medecon Ruhr, einem Netzwerk der Gesundheitswirtschaft. Das heißt: Produkte und Ideen aus dem Revier sollen Exportschlager werden.

An dieser Stelle kommen Firmen wie Visus ins Spiel. Das Team um Jörg Holstein entwickelt Software für Kliniken oder Arztpraxen und hat sich auf Produkte für digitale Röntgenbilder spezialisiert. Visus sorgt auch dafür, dass sich die Krankenhäuser besser vernetzen. Per Mausklick können Röntgenbilder von einer Klinik zur nächsten geschickt werden. Früher wurden die Aufnahmen im Notfall noch mit dem Taxi transportiert.

„Gerade im Ruhrgebiet, wo es die höchste Krankenhausdichte im Bundesgebiet gibt, wechseln die Patienten häufig die Anbieter“, sagt der Radiologe Lothar Heuser von der Ruhr-Universität Bochum. Der Transport von Röntgenbildern habe in der Vergangenheit ziemlich lange gedauert. „Wenn das heute per Mausklick geht, ist das eine entscheidende Verbesserung.“

Informatiker anstelle von Opelanern

Die Nachfrage nach der Software von Visus steigt. Die Kunden kommen aus Europa, China und den USA. „Ich gehe davon aus, dass wir jedes Jahr zehn Prozent Wachstum haben“, berichtet Holstein. Entsprechend werde sich auch die Zahl der Jobs weiter erhöhen.

Dass eine Firma wie Visus im großen Stil Opelaner einstellen wird, ist aber unrealistisch. Die meisten Visus-Mitarbeiter sind Informatiker. Der Betrieb pflegt enge Kontakte zu den Unis der Region, um Fachkräfte für sich zu gewinnen. Vermutlich hätte nicht einmal der Opel-Werksleiter bei Visus eine Chance.