Essen. . Der Bundesgerichtshof hat bestimmte Vertragsklauseln in Lebensversicherungen für unwirksam erklärt. Jetzt dürfen Versicherte, die Verträge vorzeitig gekündigt haben, auf Nachzahlungen hoffen. Vorerst dürfen sich aber nur Versicherte des Deutschen Rings freuen.

Dieses Urteil hat es in sich: Abermals hat der Bundesgerichtshof (BGH) Klauseln in den Verträgen von Kapitallebensversicherungen für unzulässig erklärt. Es geht um Gebühren, die immer dann fällig werden, wenn der Versicherungsnehmer vorzeitig aus dem Vertrag ausscheiden möchte. Hier werde der Kunde zu stark zur Kasse gebeten, so der BGH. Das Urteil hat nach Ansicht von Verbraucherschützern erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Versicherungswirtschaft. Von einem „Erdbeben für die Branche“ spricht etwa der Bund der Versicherten.

Was hat der BGH entschieden?

Der Bundesgerichtshof beanstandete Klauseln in den Verträgen des Versicherers Deutscher Ring. Der BGH erklärte Vertragsdetails zum Rückkaufswert, zur Beitragsfreistellung und zum Stornoabzug im Falle der Kündigung von Kapitallebens- und privaten Rentenversicherungen für unwirksam. Jetzt dürfen Kunden, die vorzeitig aus ihrem Vertrag ausgeschieden sind, auf Rückzahlungen hoffen. Das Urteil gilt vorerst nur für Versicherte des Deutschen Rings, die zwischen 2002 und 2007 einen Vertrag abgeschlossen und diesen gekündigt oder beitragsfrei gestellt haben. Die Rede ist von etwa 50.000 Kunden.

Allerdings sind laut Verbrau­cherzen­trale Hamburg, die die Verbandsklage vor dem BGH angestrengt hat, noch weitere Entscheidungen offen. So klagten die Verbraucherschützer auch gegen ähnliche Klauseln in den Verträgen von Allianz, Generali, Signal Iduna und Ergo. Es bestehe allerdings kein Zweifel daran, dass die Urteile genauso ausfallen werden wie im Falle des Deutschen Rings, sagt Edda­ Castello von der Ver­braucherzen­trale. Auch Axel Kleinlein, Vorsitzender des Bundes der Versicherten, sieht das so. Er spricht von einem „Erdbeben, das die Branche erfassen könnte“. Die Branche müsse mit Beitragserstattungen in einer Gesamthöhe von bis zu zwölf Milliarden Euro rechnen, so die Verbraucherschützer.

Wie viel Geld werden Versicherte zurückbekommen?

Das ist von Vertrag zu Vertrag verschieden. Die Verbraucherzentrale rät Betroffenen, sich von den Versicherern nicht abwimmeln zu lassen und beharrlich auf die Auszahlung des Geldes zu pochen. Im Internet auf www.vzhh.de hält sie dazu ein Musterschreiben bereit.

Kommt es häufig vor, dass Lebensversicherungen vorzeitig gekündigt werden?

Laut Bund der Versicherten (BdV) werden drei Viertel aller klassischen Altersversorgungsverträge vorzeitig gekündigt, bei den fondsgebundenen Verträgen seien es sogar 95 Prozent. Oft seien die Versicherten in einer schwierigen Situation (Arbeitslosigkeit, Scheidung) oder bräuchten das Geld zum Erwerb einer Immobilie. Die Versicherungswirtschaft spricht dagegen von einer Stornoquote von 3,6 Prozent für 2011. Das sei ein „Vertrauensbeweis“. Der BdV sieht das anders: „Von 100 Sparern, die mit 30 Jahren einen Altersvorsorgevertrag für den Rentenbeginn im Alter von 67 abschließen, halten nur 26 den Vertrag auch wirklich bis zum Rentenbeginn durch.“

Was ist mit Verträgen, die ab dem Jahr 2008 abgeschlossen wurden?

Die sind erst einmal nicht vom BGH-Urteil betroffen, weil die Versicherer zu diesem Zeitpunkt eine neue Produktgeneration gestartet haben. Sollten diese aber ähnliche Vertragsklauseln enthalten wie die, die jetzt vom BGH als unzulässig eingestuft wurden, so schätzt die Verbraucherzentrale, seien diese ebenso ungültig.