Duisburg. . Ein Überangebot an neuen doppelwandigen Sprit- und Chemietransportern lässt im Binnenverkehr die Frachtraten und den Wert der Schiffe einbrechen. Brüssel lehnt eine Abwrackprämie jedoch ab. Viele Reeder fürchten deshalb um ihre Existenz.
Die deutsche Tank-Binnenschifffahrt, die Sprit und Chemikalien transportiert, steckt in ihrer schwersten Krise aller Zeiten. Viele Partikuliere stehen vor dem wirtschaftlichen Aus. Der Grund: Ein Bauboom aufgrund verschärfter Umwelt- und Sicherheitsauflagen führte dazu, dass zu viele Schiffe auf europäischen Flüssen unterwegs sind – bei gleich bleibenden Transportmengen. Die Frachtraten, die Unternehmen erzielen können, sinken dramatisch.
Gunther Jaegers kennt die Branche und ihre Probleme wie kein anderer: Der gebürtige Franke ist Geschäftsführender Gesellschafter der Duisburger Reederei Jaegers. Mit über 200 Tankschiffen verfügt sie über eine der größten Flotten in Europa. Jaegers ist auch Präsident der Tankschifffahrt-Kommission der Europäischen Binnenschifffahrsunion.
2006 saß er in Luxemburg mit am Tisch, als das neue Gefahrgut-Reglement ausgehandelt wurde. Eine Konsequenz der gewaltigen Ölpest nach der Havarie des riesigen Öltankers Exxon Valdez im Dezember 1989. Experten kamen damals zu dem Schluss, dass die Katastrophe nicht passiert wäre, wenn der Tanker mit zwei Hüllen anstatt mit nur einer ausgestattet gewesen wäre. Das hatten Umweltschützer bereits Jahre zuvor gefordert.
Die Zweihüllen-Vorschrift, die für neu gebaute Seetanker danach Pflicht wurde, gilt nun auch für Binnenschiffe. Die Übergangsregelung, die Reeder Jaegers 2006 mit der EU-Kommission verabredete, umfasst drei Schritte. Ab 2019 darf es nur noch Tanker mit zwei Hüllen geben. Und genau hier liegt das Problem.
Die goldenen Zeiten liegen gar nicht so lange zurück
Nachdem der Zeitplan 2006 bekannt geworden war, setzte sich in der Binnenschifffahrt eine wahre Investitionswelle in Gang. „2008 erreichte der Ölpreis einen Rekordwert. In Deutschland war der Diesel teurer als Benzin“, erinnert sich Jaegers. Die Folge: Der Westen sparte bei Diesel und Heizöl. Die Mengen gingen stattdessen nach Asien. Goldene Zeiten für die Transport-Branche. „Wir wussten gar nicht, woher wir die Schiffe nehmen sollten“, sagt der Duisburger Reeder.
Partikuliere, die 80 Prozent der Tankschiffe betreiben, bestellten vor allem auch bei chinesischen Werften neue Zweihüllen-Schiffe, um von dem Boom zu profitieren. „Die Preise stiegen auf bis zu sechs Millionen Euro für ein 110 Meter langes und 11,45 Meter breits Standard-Tankschiff“, so Jaegers. Gewaltige Summen mussten sich die Partikuliere von Banken liehen.
Die Zahl der Schiffe ist gestiegen, das Frachtniveau nicht
Ostern 2009 jedoch waren die fetten Jahre vorbei. Die Wirtschafts- und Finanzkrise holte erwischte auch die Schifffahrt – mit dramatischen Verwerfungen. „ Weil es zu viele Schiffe gibt, bleiben die Frachten auf niedrigem Niveau“, sagt Erwin Spitzer vom Bundesverband der Binnenschifffahrt. Parallel dazu müssen die Eigner einen Wertverlust ihrer neuen Schiffe hinnehmen. Reeder Jaegers: „Heute kosten neue Transporter unter vier Millionen Euro.“ Die Folge: „Den Partikulieren geht die Puste aus. Es hängt allein von den Banken ab, ob sie überleben.“ In diese aufgeheizte Atmosphäre platzte die Nachricht, dass sich die Commerzbank aus der Schiffs-Finanzierung zurückzieht. „Ein Schlag für uns“, sagt Jaegers.
Ein Ausweg aus der Misere ist derzeit nicht in Sicht. Der Verband der Binnenschifffahrt, an dessen Spitze Jaegers bis Jahresfrist gestanden hatte, scheiterte in Brüssel mit seinem Antrag, für die krisengeschüttelte Tankschifffahrt eine „Marktstörung“ auszurufen. Hätte die EU-Kommission zugestimmt, könnten die Eigner von einer Abwrackprämie Gebrauch machen und ihre auf dem Markt überzähligen alten Schiffe verschrotten. Der Reservetopf, in den alle Unternehmen einzahlen, ist mit 20 Millionen Euro prall gefüllt. Doch ohne eine attestierte „Marktstörung“ wird das Geld nicht ausgeschüttet.
Als passionierter Höhlentaucher hat Reeder Jaegers gelernt, dass „Panik tödlich ist“. Und so hofft er, dass bis Ende 2018, wenn keine Einhüllentanker mehr unterwegs sein dürfen, nicht zu viele Partikulieren wirtschaftlich der Boden unter den Füßen entzogen wird.