Brüssel. . Die Straßburger Abgeordneten votierten mit großer Mehrheit gegen das umstrittene internationale Handelsabkommen. Jetzt soll eine Alternative her.
Selten war das EU-Parlament bei einer Entscheidung so hin- und hergerissen. 165 Enthaltungen sprechen eine deutliche Sprache. Acta, das umstrittene internationale Handels- und Urheberrechtsabkommen, ist trotzdem vom Tisch. Eine große Mehrheit aus Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken stimmte gegen die Ratifizierung. Der Vertrag, den die EU mit zehn Partnerländern schließen wollte, kann in Deutschland und den anderen EU-Staaten nicht in Kraft treten. Jetzt dürfte das Ringen um ein Gesetz gegen Produktpiraterie und für mehr Urheberrechtsschutz – auch im Internet – in eine neue Runde gehen.
Warum war Acta so umstritten?
Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (Acta), das Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen, ist auf Bestreben der USA und Japan entwickelt worden. Es sollte Produkt- und Markenpiraterie – auch im Internet – eindämmen und sah härtere Strafen für jene vor, die dagegen verstoßen.
Den Hauptvorwurf der Acta-Gegner, das Abkommen missachte Grundrechte wie Meinungsfreiheit, Privatsphäre oder Datenschutz und sorge für eine Internetpolizei, die sämtliche Datenpakete durchleuchte, wies die EU-Kommission als Desinformation zurück. Internet-Aktivisten hatten Front gegen Acta gemacht, auch weil das Abkommen ihrer Ansicht nach unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wurde. Es gab Demos gegen Acta – auch in Deutschland.
Was sagen Verbraucherschützer?
Verbraucher-Organisationen begrüßten das Ende von Acta. Damit sei verhindert worden, dass aus Dienstleistern Netz-Polizisten werden, erklärte der europäische Dachverband BEUC.
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Jetzt müsse die Europäische Union ihr antiquiertes Urheberrecht entrümpeln und den Netzkunden vernünftige legale Zugriffsmöglichkeiten eröffnen. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen lobte das Votum, weil Acta „den Zugang zu lebenswichtigen Nachahmer-Medikamenten gefährdet hätte“.
Was sagt die Industrie?
Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) bedauert die Entscheidung des EU-Parlaments: „Wir kommen auch in Zukunft nicht umhin, internationale Standards zum Schutz des geistigen Eigentums sowie zur Durchsetzung des Urheberrechts zu definieren“, sagte BVMI-Geschäftsführer Florian Drücke.
„Acta hätte nichts Wesentliches am deutschen Recht geändert“, kommentierte Dieter Kempf, Präsident des IT-Verbandes Bitkom, das Aus für Acta. Kempf mahnte aber künftig transparentere Entscheidungsprozesse an: „Sonst arbeiten hoch bezahlte Expertenteams jahrelang umsonst, weil man die Betroffenen nicht einbezogen hat.“
Was kommt jetzt?
Nach dem Abstimmungsergebnis kündigte der zuständige Handelskommissar Karel De Gucht an, ein noch ausstehendes Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Rechtmäßigkeit von Acta abzuwarten und dann neue Gespräche mit den internationalen Vertragspartnern sowie dem Parlament aufzunehmen. Damit ließ er sich die Tür zu einem neuen Anlauf offen.
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Markus Beckedahl von der Internetnutzer-Lobby „Digitale Gesellschaft“ begrüßte das Acta-Aus. Der Weg sei jetzt frei für Reformen, die das Urheberrecht an das Internetzeitalter anpassten. Beckedahl fürchtet allerdings, dass die Lobby eine weitere Zementierung des Urheberrechts vorantreiben werde.