Essen. . Die Bundesregierung soll für den Atomausstieg zahlen. Energieunternehmen legen Verfassungsbeschwerde ein. Sie wehren sich gegen eine Enteignung.

Im Hoppla-Hopp-Stil paukte die Bundesregierung den Atomausstieg durch. Die juristische Aufarbeitung dürfte Jahre dauern. Die Energiekonzerne verlangen mit ihren Verfassungsbeschwerden rund 15 Milliarden Euro Schadenersatz, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet. Begründung: eine verfassungswidrige Enteignung, wie es Eon-Chef Johannes Teyssen in der Vergangenheit mehrfach nannte.

Zur Erinnerung: Nach der Atomkatastrophe von Fukushima kassierte die Regierung die Laufzeitverlängerung und beschloss das Ende der Atomkraft bis Ende 2022. Acht Meiler wurden direkt vom Netz genommen. Die juristische Gegenwehr kam postwendend, RWE klagte gegen das Moratorium. Dazu sind die Konzernvorstände laut Aktiengesetz verpflichtet. Sonst würden sie ihre Pflicht verletzen und müssten Ersatz für den Schaden zahlen. Tatsächlich hinterließ der schnelle Atomausstieg tiefe Spuren in den Bilanzen, schließlich spülte jedes Kernkraftwerk nach einer Faustformel Eon, RWE, EnBW und Vattenfall rund eine Million Euro in die Kasse – pro Tag.

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Tobias Bolsmann redakteur
Von Tobias Bolsmann

In seiner Verfassungsbeschwerde, die Eon im November beim Bundesverfassungsgericht eingereicht hat, schätzt der Konzern den Schaden durch den Ausstieg auf acht Milliarden Euro. Bei RWE sind es dem Vernehmen nach zwei Milliarden Euro.

Hat die Bundesregierung ein Grundrecht verletzt?

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wollen beide Konzerne klären, ob die Bundesregierung mit dem schnellen Ausstieg ein Grundrecht verletzt hat. Die Argumentation der Un­ternehmen stützte sich im Wesentlichen auf die Eigentumsgarantie, die durch das Grundgesetz geschützt ist, wie eine Sprecherin des Bundesverfassungsgerichts auf Anfrage dieser Zeitung sagte. Diese Garantie beinhalte laut Eon auch die Betriebsgenehmigungen für die einzelnen Anlagen. Mit ihrer 180-Grad-Wende verstoße die Bundesregierung gegen den Vertrauensschutz, argumentiert Eon. Darüber hinaus führt Eon einen Eingriff in die Berufsfreiheit sowie ein verbotenes Einzelfallgesetz ins Feld. Und der Konzern habe nach der im Herbst 2010 beschlossenen Laufzeitverlängerung Millionen in die Kernkraftwerke investiert. Diese seien mit der politischen Kehrtwende verloren.

Werner Heun, Staatsrechtler an der Universität Göttingen, hat keinen Zweifel, dass der Atomausstieg als solcher zulässig war. Die Garantie auf Eigentum sieht er lediglich in einem Detail berührt: Bei den Investitionen nach der Laufzeitverlängerung, die sich nicht mehr rechnen.

Das Bundesverfassungsgericht wird nun 64 Organisationen – vom Bundestag bis zu Greenpeace – um Stellungnahme zur Beschwerde bitten, danach kommt es zur mündlichen Verhandlung. Erst wenn das Verfassungsgericht ein Grundrecht verletzt sieht, wird in einem zweiten Schritt über einen Schadenersatz verhandelt.