Essen. . Vor der Fußball-EM haben Polen und die Ukraine Milliarden in Stadien und Straßen investiert. Analysten bezweifeln, dass es sich lohnt. EM-Gewinner aber wird es geben: die Spieler zum Beispiel und die Fanartikel-Industrie. Ein Überblick.

Die Sonne scheint, aber Slawomir Bronski klingt bewölkt. Er steht auf der Krokowski Przedmiescie, der Prachtstraße, die an der Universität von Warschau vorbei in die Altstadt führt, und schimpft. „Die haben das Geld für den Fußball und die EM aus dem Fenster geworfen“, sagt er. „Wir werden nichts davon haben.“

Wir, das sind in diesem Fall Bronski, 42 Jahre alt und Elektriker, und viele der 38 Millionen Polen. 35 Milliarden Euro hat das Land in die EM, die am kommenden Freitag in Warschau mit dem Spiel Polen gegen Griechenland beginnt, investiert. 25 Milliarden aus der Staatskasse, zehn Milliarden aus dem Strukturförderungsfonds der EU. Eine knappe Milliarde floss davon in den Bau der vier Stadien, der Rest in die Infrastruktur. Bronski fürchtet den Gelduntergang: „Das Geld wird im kommenden Jahr fehlen. Ich glaube nicht, dass dann bei uns noch irgendwo ein Krankenhaus renoviert wird.“

Die polnische Regierung sieht das anders. Für sie sind Kritiker wie Bronski auf dem Holzweg, sie selbst beschreitet gerade lieber den Bolzweg und deutet stolz auf die Gewinner. Beispiele:

Die Hotelchefin
Izabela Wilczynska ist Geschäftsführerin des Dwor Oliwski. Die Fünf-Sterne-Herberge in Danzig ist ab Montag das Quartier der deutschen Nationalmannschaft. Die Deutschen haben sämtliche 70 Zimmer für vier Wochen gebucht, sie haben für 250 000 Euro einen Trainingsplatz bauen lassen, und der eigene Mannschaftskoch hat ein Zimmer mit Verbindungstür zur Küche.

Im Dwor Oliwski haben schon Stars wie Kylie Minogue und Rod Stewart übernachtet. Bisher hat ein Doppelzimmer 110 Euro pro Nacht gekostet, Geschäftsführerin Wilczynska hofft auf einen ordentlichen Marketingeffekt durch Philipp Lahm, Miroslav Klose, Manuel Neuer und Co., Deutschland ist Polens wichtigster Tourismus-Markt. Die Preise dürften in Zukunft steigen.


Die Spieler

Die deutschen Nationalspieler haben eine Rekordprämie ausgehandelt. Gewinnen sie den Titel, kassieren sie pro Kopf dafür 300 000 Euro, für einen WM-Titel vor zwei Jahren in Südafrika hätte es „nur“ 250 000 Euro gegeben.

Der Deutsche Fußball-Bund kann sich diese Großzügigkeit leisten. Die Uefa, die das Turnier veranstaltet, schüttet 196 Millionen Euro an Prämien für die 16 Teams aus. Wer Europameister wird, kann auf folgende Weise 23,5 Millionen einstreichen: Acht Millionen Antrittsgeld, eine Million pro Sieg in der Vorrunde, zwei Millionen fürs Erreichen des Viertelfinales, drei fürs Halbfinale und 7,5 Millionen für den Triumph im Endspiel. Unterm Strich: 23,5 Millionen.


Die Fanartikel-Industrie

Seit Wochen sitzt Mittelfeld-Star Bastian Schweinsteiger hinter einer Supermarktkasse. Nicht im richtigen Leben, sondern im Fernseh-Werbespot eines Chips-Herstellers. Bundestrainer Joachim Löw wirbt für Deos, Angreifer Lukas Podolski betankt sein Auto im eigenen Garten mit Solarstrom. Er soll in Köln aber auch schon mal beim Super-Tanken an einer Tankstelle gesehen worden sein, doch für einen guten Scheck tut man im Fernsehen einiges. Wer sich als Nationalspieler nicht zu dumm anstellt, schließt Werbeverträge in siebenstelliger Höhe ab.

Auf den EM-Zug springen auch andere. Im Supermarkt gibt es EM-Eier, die Grillsoße Attacke und das original Deutschland-Trikot. Das Heim-Trikot kostet beim DFB 80 Euro. Die Herstellungskosten, die beim Verband niemand bestätigen will, liegen bei acht Euro.

Die Vereine
Als der FC Bayern München Ende der 70er-Jahre die ersten Fanshops eröffnete, schaute die Konkurrenz irritiert. Mittlerweile hat die Hoeneßierung längst die ganze Fußball-Bundesliga ergriffen. So wird Borussia Dortmund bald den ersten Fanshop in Warschau einweihen. Robert Lewandowski, der polnische Stürmerstar der Borussen, freut sich darüber. „Dann muss ich nicht jedes Mal, wenn ich nach Hause fahre, den Kofferraum mit Trikots vollpacken.“

Die Verlierer
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Die Ukraine, die das Turnier gemeinsam mit Polen ausrichtet, ist kein Mitglied der Europäischen Union. Also haben ihr die Fördermitteln gefehlt. Die Ausgaben in Höhe von 13,4 Milliarden Euro haben sich der Staat und private Investoren geteilt.

Doch: Die eingeplanten Milliarden-Einnahmen aus dem Europameisterschafts-Tourismus dürften ausbleiben. Der Ruf des Landes ist zu schlecht. Der russische Wirtschaftsanalyst Andrej Kolpakow prognostiziert ein Minus von sechs bis acht Milliarden Euro. Manchmal ist der Ball ein Hund.