Berlin/Bonn. . Umweltminister Peter Altmaier, erst seit Tagen im Amt, muss Zweifel an der Energiewende zerstreuen. Am Atomausstieg sei nicht zu rütteln, sagte der CDU-Politiker. Das sehen bei weitem nicht alle Unions-Politiker so. An diesem Dienstag besucht er mit Kanzlerin Merkel die Bundesnetzagentur in Bonn.

Fast im Stundentakt meldeten sich zu Pfingsten Vertreter aus Politik und Wirtschaft zu Wort, um Ansichten und Warnungen zu äußern. Wer die Debatte über ein mögliches Scheitern der Energiewende angezettelt hatte, war schon bald nicht mehr aufzuklären. So richtig wollte es auch niemand gewesen sein. Schließlich reichte die Diskussion sehr weit – bis hin zu längeren Laufzeiten für die in Deutschland verhassten Atomkraftwerke.

Peter Altmaier (CDU), der neue Umweltminister, sah sich nur wenige Tage nach Amtsantritt veranlasst, Klartext zu reden: „Die Kernenergie in Deutschland ist Geschichte“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Die Regierung halte am Fahrplan der Energiewende bis 2022 fest. Und: „Deutschland kann als erste Volkswirtschaft in Europa die Wende schaffen.“ Er wehre sich gegen Pessimismus jeder Art.

Merkel sieht Projekt in Verzug und besucht Bundesnetzagentur

Das Großvorhaben der schwarz-gelben Bundesregierung, beschlossen vor rund einem Jahr, steht auch nach der Entlassung von Norbert Röttgen in der Kritik. Kanzlerin Angela Merkel gab per Videobotschaft zu, das Projekt sei in Verzug geraten. Der notwendige Ausbau der Netzinfrastruktur komme nicht recht voran. Sie wolle sich persönlich darum kümmern. Wie zum Beleg besucht Merkel an diesem Dienstag die Bundesnetzagentur in Bonn, um sich über den Stand des Ausbaus der Stromnetze zu informieren. Begleitet wird sie von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und ihrem neuen Umweltminister.

Dass die Debatte mit solcher Wucht aufschlug, dürfte auch mit Merkels Terminkalender zu erklären sein. Am Mittwoch geben die vier Betreiberfirmen des Hochspannungsnetzes bekannt, wo ihren Berechnungen zufolge in Deutschland neue Leitungen gebaut werden sollen. Die Bundesnetzagentur muss die Pläne genehmigen. Bis Ende des Jahres will die Regierung daraus ein Gesetz machen. Schon heute besuchen Kanzlerin, Wirtschafts- und Umweltminister die Bundesnetzagentur. Es sind wichtige Weichenstellungen zu erwarten. Mahnende Worte aus Parteien und Wirtschaft sind im Vorfeld einer solchen Woche üblich. Schließlich geht es um Energiesicherheit, den Strompreis der Zukunft und die Nöte der heimischen Industrie.

„Ohne neue Leitungen keine Energiewende“

Dass Deutschland für ein Gelingen der Energiewende noch viel tun muss, bestätigte der Chef der Bundesnetzagentur, Jochen Homann. „Ohne neue Leitungen keine Energiewende“, sagte Homann im Gespräch mit dieser Zeitung. Er mahnte vor allem Lösungen beim stockenden Anschluss neuer Windparks auf dem Meer an. Die Betreiber der Übertragungsnetze wie das niederländische Staatsunternehmen Tennet seien damit überfordert. Es brauche eine ausgewogene Haftungsregelung bei möglichen Netzausfällen. Vorstellbar sei auch, „dass sich die öffentliche KfW-Bankengruppe mit Kapital an einer gemeinsamen Netzgesellschaft engagiert“, sagte Homann. Alternativ könnte ein Teil der Kosten für den Anschluss der Offshore-Windparks auf die Stromkunden umgelegt werden.

Die Gefahr, dass die Kosten des Ausbaus sozialisiert würden, während die Gewinne in die Kassen privater Betreiber flössen, hält Homann für „eine Überinterpretation“. „Es sind schlicht einige Pro­bleme zu lösen, die so früher nicht absehbar waren.“ Er glaube auch nicht an ein Scheitern der Energiewende. „Es wird allenfalls über Details gestritten.“

Die Bürger, die seit 2011 ein Recht auf Beteiligung am Megaprojekt haben, haben sich bisher kaum geäußert. Als die Netzagentur in einem ersten Schritt den Kraftwerkspark der Zukunft plante, nahmen nur 76 Städte, Verbände und Bürgerinitiativen Stellung.