Hamburg. Unternehmensberater Roland Berger ist die treibende Kraft beim Aufbau einer europäischen Rating-Agentur. Doch noch fehlt das Startkapital. Die deutsche Industrie lehnt die Gründung einer Rating-Agentur ab. Berger will das Projekt jedoch nicht scheitern lassen.
Die als Gegengewicht zu den drei US-Agenturen geplante europäische Rating-Agentur droht laut einem Bericht zu scheitern. Die Unternehmensberatung Roland Berger als treibende Kraft beim Aufbau der europäischen Agentur rechnet nicht mehr damit, das benötigte Startkapital von 300 Millionen Euro zusammenzubekommen, wie die "Financial Times Deutschland" berichtete. Roland Berger wollte den Bericht nicht bestätigen.
Dem Bericht zufolge setzte die Unternehmensberatung vor allem auf die Unterstützung deutscher und französischer Großbanken. Diese hätten jedoch wenig Interesse gezeigt. Die deutsche Industrie lehne die Gründung der Rating-Agentur ab, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) habe deshalb massive Lobbyarbeit betrieben.
Trotz der Probleme wolle Roland Berger das Projekt jedoch vorerst nicht scheitern lassen, hieß es weiter. Eine kleine Gruppe von Finanziers aus Frankfurt am Main solle nun zumindest soviel Geld bereitstellen, dass an der Grundidee weitergearbeitet werden könne.
Merkel ist für mehr Wettbewerb am Markt
Roland Berger erklärte, zur Gründung der Agentur lägen bislang zwar noch "keine konkreten Zusagen für angemessene finanzielle Beiträge" vor. Jedoch liefen weiter Gespräche. Die Unternehmensberatung selbst halte eine europäische Agentur "nach wie vor für richtig und wünschenswert". Ein solches Projekt könne jedoch nur Realität werden, "wenn die Industrie es sich zu eigen macht und selbst die Agentur gründet und finanziert".
Regierungssprecher Steffen Seibert bekräftigte die Haltung der Bundesregierung, dass die Initiative für die Gründung einer Agentur aus der Privatwirtschaft kommen müsse. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) halte jedoch grundsätzlich mehr Wettbewerb am Markt für begrüßenswert, sagte Seibert.
Rating-Agenturen sind Unternehmen, welche die Kreditwürdigkeit und Ausfallrisiken von Unternehmen, Staaten und Wertpapieren bewerten. Den weltweiten Markt beherrschen die drei US-Unternehmen Standard & Poor's, Moody's und Fitch.
EU-Politiker sind für europäische Ratingagentur
Im Zuge der internationalen Finanzkrise und der Euro-Schuldenkrise waren diese massiv in die Kritik geraten. Im Zusammenhang mit der Finanzkrise wurde kritisiert, die Agenturen hätten komplexe Finanzpapiere, die auf US-Immobilienkrediten aufbauten, zu gut bewertet. In der Euro-Schuldenkrise wurde ihnen vorgeworfen, die Krise durch die Herabstufung der Kreditwürdigkeit von Ländern noch verschärft zu haben.
Zahlreiche Politiker in der EU machten sich deshalb für die Gründung einer europäischen Rating-Agentur stark. Das Roland-Berger-Projekt ist eine von mehreren entsprechenden Initiativen. Dem Modell der Beratungsgesellschaft wurden bislang allgemein die größten Realisierungschancen eingeräumt.
30 Investoren sollen je 10 Millionen Euro beisteuern
Die Agentur nach dem Konzept von Roland Berger soll als Stiftung organisiert werden. Es war vorgesehen, dass insgesamt 30 Investoren aus der Finanzbranche jeweils 10 Millionen Euro Startkapital beisteuern. Während die US-Agenturen ihr laufendes Geschäft dadurch finanzieren, dass sie von den Herausgebern von Wertpapieren für Ratings bezahlt werden, sollte die europäische Agentur mithilfe der Beiträge von Investoren betrieben werden. Unklar blieb allerdings, wie dies konkret umgesetzt werden sollte. (afp)