Berlin.. Im vergangenen Jahr haben die Arbeitsagenturen Hartz-IV-Empfängern über 900 000 Mal mit Leistungskürzung bestraft. Das ist Rekord. In den meisten Fällen waren die Betroffenen nicht bei der Agentur erschienen, obwohl sie mussten.
Die Arbeitsagenturen gehen härter gegen Hartz-IV-Empfänger vor. Die Zahl der verhängten Strafen zum Beispiel wegen Arbeitsverweigerung stieg im vergangenen Jahr auf einen Rekordwert von mehr als 900.000 Fälle, wie die Bundesagentur für Arbeit am Mittwoch mitteilte.
Zwar ging die Zahl der bestraften Hartz-IV-Bezieher zurück, gleichzeitig gab es aber mehr Sanktionen pro Betroffenem. Arbeitsministerium und DGB betonten, dass die große Mehrheit der Leistungsempfänger bei der Suche nach neuer Arbeit engagiert mitwirke.
Drei Prozent der Leistungsempfänger betroffen
Eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums erklärte in Berlin, die Sanktionen beträfen nur einen "minimalen Ausschnitt" von drei Prozent der Leistungsempfänger. Nur 15 Prozent davon wiederum seien klassische Leistungsverweigerer. Ein Grund für den Anstieg der Sanktionen sei, dass die Mitarbeitern in den Job-Centern besser mit dem vorhandenen Regelwerk umgehen könnten. Dies sei ein Erfolg.
Die Bundesagentur erklärte, die Zahl der Fälle sei von 829.375 im Jahr 2010 auf 912.377 im Jahr 2011 gestiegen und bestätigte damit einen Bericht der "Bild"-Zeitung.
Im Durchschnitt wurden Leistungen um 115,99 Euro im Monat gekürzt. Etwa zwei Drittel aller Strafen wurden laut BA verhängt, weil jemand trotz Einladung nicht beim Jobcenter erschien. Die hohe Zahl hänge auch damit zusammen, dass die Jobcenter mehr Stellenangebote als früher hätten und daher ihre Kunden auch häufiger einladen könnten.
In 147.435 Fällen gab es Sanktionen, weil die Arbeitslosen gegen Pflichten der Eingliederungsvereinbarung verstießen. 138.312 Mal wurden Strafen verhängt, weil die Betroffenen die Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung oder Weiterbildung verweigerten.
Die meisten Strafen wurden in Berlin (4,4 Prozent), Rheinland-Pfalz (4,1 Prozent) und Hamburg (3,8 Prozent) verhängt. Am wenigsten abgestraft wurde in Bremen (2,7 Prozent).
Sanktionen als Druckmittel kritisiert
Das Erwerbslosen Forum Deutschland kritisierte die Strafen als Ausdruck der Hilf- und Konzeptlosigkeit der Jobcenter. "Die Zahl sagt auch nichts darüber aus, ob die Sanktionen rechtlich haltbar waren. Wir haben da große Zweifel", erklärte Forumssprecher Martin Behrsing.
Kritik kam auch von der sozialpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Katja Kipping. "Die Sanktionen im Hartz-IV-System sind verfassungswidrig und müssen umgehend abgeschafft werden", betonte sie. Jede Leistungskürzung verletze das Grundrecht des Betroffenen auf Existenzsicherung und gesellschaftliche Teilhabe.
Die meisten Hartz-IV-Empfänger verhalten sich korrekt
Der DGB warnte davor, Hartz-IV-Bezieher pauschal als Trickser und Schummler zu diffamieren. "Natürlich gibt es auch unter ihnen schwarze Schafe, die gibt es überall", sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach der Tageszeitung "Die Welt". Aber die überwältigende Mehrheit der Hartz-IV-Empfänger verhalte sich korrekt. "Wir reden hier von Menschen, die es ohnehin schwer haben und mit sehr wenig Geld über die Runden kommen müssen", sagte Buntenbach.
Gegen Pauschalverurteilungen wandte sich auch der zuständige Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt. "Rund 97 Prozent der Hartz-IV-Empfänger verhalten sich vollkommen regelkonform", sagte er der "Welt". Angesichts der sehr guten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt könnten die Jobcenter viele Angebote unterbreiten. "Wer diese ablehnt, wird sanktioniert", sagte Alt. Dies sei auch im Interesse der Steuerzahler, die die Grundsicherung schließlich finanzierten. (dapd)