Essen. . EU-Energiekommissar Günther Oettinger hält die deutschen Stromriesen Eon und RWE für zu klein und schlägt eine Fusion vor. Das dürften Kartellwächter anders sehen. Eine Analyse.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger ist stets für eine überraschende Äußerung gut. Am Dienstag war es wieder soweit. In einem Interview mit der „Rheinischen Post“ sagte er, eine Fusion der deutschen Stromriesen Eon und RWE „könnte ein Schritt sein, der das Gewicht der deutschen Energiewirtschaft im weltweiten Wettbewerb stärken würde“. Beide Unternehmen seien im Weltmaßstab nur Regionalliga. In der Weltliga würden Exxon, Chevron und Gazprom den Ton angeben.

Eine Fusion von RWE und Eon? Beide Konzerne wollten Oettingers Gedanken nicht kommentieren. Er regt sicher die Phantasie an – aber von einer Realisierung dürfte er Lichtjahre entfernt sein.

Die Bestandsaufnahme offenbart, dass RWE und Eon so gut wie keine Schnittmenge haben. Lediglich in den Branchenverbänden – etwa Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft – sind sie gemeinsam vertreten, darüber hinaus existiert ein Joint Venture. In Großbritannien wollen beide Unternehmen unter der Marke „Horizon Nuclear Power“ gemeinsam Kernkraftwerke entwickeln und bauen. Ansonsten gehen beide getrennte Wege.

Megakonzern mit überwältigender Marktmacht

Das größte Hindernis – Oettinger erwähnte es selbst – ist das Kartellrecht. Mit der Verschmelzung würde im deutschen Maßstab ein Megakonzern entstehen, der eine überwältigende Marktmacht entfalten könnte. Dies würde aber im krassen Gegensatz zu den Entscheidungen in der Vergangenheit stehen. So musste RWE sein Thyssengas verkaufen, weil ihm vorgeworfen wurde, in Nordrhein-Westfalen eine beherrschende Stellung zu haben. Eon trennte sich aus wettbewerbsrechtlichen Gründen von der Stadtwerke-Holding Thüga.

Allerdings gibt es bei Übernahmen, denen das Kartellamt einen Riegel vorgeschoben hat, die sogenannte Ministererlaubnis. Auf diese Weise wurde Ruhrgas vor rund zehn Jahren dem Eon-Konzern einverleibt. Allerdings: Dass dieses Instrument im – rein hypothetischen – Fall einer Fusion von Eon und RWE unter der derzeitigen Bundesregierung seine Anwendung findet, ist wohl ausgeschlossen. Schließlich ist Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht als Freundin der Energieriesen bekannt. Und im Zuge der Energiewende wird ihr das Motto „Klein ist schön“ zugeschrieben.

Günther Oettinger hält RWE und Eon offenbar schon für klein – und damit für Regionalliga im Vergleich zu Gazprom oder Exxon. Dabei ist der Unterschied, gemessen am Umsatz teilweise gar nicht so riesig. Eon machte 2010 einen Umsatz von über 92 Milliarden Euro, RWE 53 Milliarden. Gazprom brachte es auf 88 Milliarden, Exxon allerdings auf 290 Milliarden.

Klassischer Äpfel-Birnen-Vergleich

Allerdings hat Oettinger den klassischen Äpfel-Birnen-Vergleich gezogen. Schließlich handelt es sich bei Gazprom um ein Staatsunternehmen, das mit einer ganz anderen Unterstützung agiert. Darüber hinaus fördern die Russen in erster Linie Gas, auch Chevron und Exxon sind hauptsächlich im Fördergeschäft. Die Stromproduktion spielt bei ihnen keine Rolle.

Außerdem: Eon ist weltweit die Nummer Eins bei der Investition in Erneuerbare Energien, RWE führt in Europa die Rangliste an.

Doch schaut man sich die Gesamtstrategien der Konzerne an, entdeckt man auseinanderstrebende Richtungen. So hat RWE immer betont, dass Deutschland der Heimatmarkt bleiben werde, nicht zuletzt wegen der Kooperation mit zahlereichen Stadtwerken und den Kommunen als Anteilseigner. Eon strebt deutlich stärker ins Ausland und dürfte kaum daran interessiert sein, dass Oberbürgermeister im Aufsichtsrat den Kurs mitbestimmen.

Und bei einer Fusion ist geteiltes Leid nicht immer halbes Leid. Der Atomausstieg könnte ihre momentane Schwäche verdoppeln.