Essen. . Selbst der Marktführer „Europa“ schwenkt jetzt auf CDs um. Er produziert nur noch eine Hörspiel-Reihe auf Musik-Kassette. „Hui Buh, das Schlossgespenst“ und „TKKG“ gibt’s künftig ausschließlich auf CD Der Marktanteil des Tonträgers sinkt weiter. 2010 kam er gerade mal auf einen Prozent.

„Bandsalat“, heißt es im Lexikon der bedrohten Wörter, „kündigte sich durch Leiern an, dann hakte etwas aus und kurz darauf klemmte der Kassettenrekorder fest.“ Generationen von Musikfans kannten das Problem. Wenn die Lieblingskassette den Geist aufgab, half nur ein beherzter Griff zum Bleistift, um das endlos lange Magnetband wieder in seine Kunststoffhülle zu zwingen.

Die Lieblingsband genießt man heute auf CD oder als Download aus dem Internet. Die Kassette, für Generationen das Musik-Medium der Wahl, ist mittlerweile fast ausschließlich ein Hörspiel-Ding fürs Kinderzimmer. Doch auch dort droht ihr das Aus. Marktführer „Europa“ produziert ab sofort nur noch eine Hörspielreihe für das Mini-Magnetband. „Hui Buh, das Schlossgespenst“ und „TKKG“ gibt’s künftig ausschließlich auf CD – und als MP3-Download. Einzig „Die drei ???“ dürfen weiter auf dem von Philips 1963 erfundenen Tonträger erscheinen, der eigentlich nichts anderes war als ein Tonband im Kunststoffmantel.

Der Schallplatten-Markt wächst

Das Ende der Europa-Kassette, für Generationen von Kindern Synonym für Hörspiele von „Hanni & Nanni“ bis Enid Blytons „Fünf Freunde“, läutet damit auch das Ende eines antiquierten Mediums ein. Es lohnt sich schlicht nicht mehr, heißt es dazu aus dem Hause Europa.

Die Verkaufszahlen belegen das: Gingen im Jahr 2000 deutschlandweit immerhin noch 22,1 Millionen Kassetten über die Ladentheke, waren es zehn Jahre später gerade einmal 2,1 Millionen – kaum mehr als ein Prozent Marktanteil, rechnet der Bundesverband Musikindustrie vor.

Die Compact Cassette, sie geht den Weg der klassischen Schallplatte. Sie ist mittlerweile ein Nischenprodukt für Fans. Doch während die Kassette weiter an Marktanteil einbüßt, glänzt die Schallplatte, von ihren Freunden nur Vinyl genannt, mit beachtlichen Wachstumsraten. Verkauften sich 2006 gerade mal 300 000 Platten in Deutschland, waren es vier Jahre später schon doppelt so viele. „Und 2011 haben wir bestimmt um weitere zehn Prozent zugelegt“, schätzt Andreas Leisdon von Bundesverband Musikindustrie. Doch das alles ist nichts gegen fast 100 Millionen verkaufte CD-Alben und 77 Millionen legale Internet-Downloads im Jahr 2010.

Bibi Blocksberg als Video und Download

Mittlerweile hat auch Hörspiel-Marktführer Europa sein gesamtes Sortiment digitalisiert. Die Konkurrenz von Kiddinx ebenfalls. Dort erscheinen so starke Marken wie „Benjamin Blümchen“ und die ewig junge Hexe „Bibi Blocksberg“. Kiddinx, so eine Sprecherin des Unternehmens, will allerdings erst einmal an der Kassette festhalten. Ohne sich allerdings den neuen Medien zu verschließen. Bibi gibt’s mittlerweile auch als Video-Download im Internet und als Hörspiel zum Herunterladen.

Bald Geschichte dürfte allerdings das Mixtape sein, diese liebevoll zusammengestellte, von Hand beschriftete und manchmal sogar mit einem persönlichen Sprüchlein bedachte Musikauswahl auf Kassette. 2011 gaben einige Hersteller bekannt, die Produktion von Leerkassetten endgültig einstellen zu wollen. Auch der japanische Elektronikkonzern Sony, der der Musikkassette ab 1979 mit dem „Walkman“ zu ihrem Siegeszug verhalf. „Verdammt nah’ an der CD“, so der Werbespruch der Kassettenindustrie, reicht eben nicht mehr aus in den Zeiten von Sieben-Kanal-Audio-CDs und 320 Bit breiter MP3-Musik.

Der Kassettenspieler fürs iPhone

Wer trotzdem nicht von Kassette und Schallplatte lassen kann, der hat immerhin die Möglichkeit, den Retro-Sound der 70er, 80er und 90er mit speziellen Platten- und Kassettenspielern in die Neuzeit zu holen. Ein USB-Anschluss für den PC macht’s möglich.

Und dann gibt’s da noch das Miniprogramm fürs Multimediahandy. „Kassettenspieler“ gaukelt seinem Anwender auf dem Handybildschirm vor, der MP3-Sound komme vom Mini-Magnetband. Nur Bandsalat, den gibt’s auf dem iPhone garantiert nicht.