Essen. .

Es ist das Ende einer Ära: Bei Sony in Japan lief jetzt der letzte Walkman vom Band. Eine Erfindung, die seinerzeit eine ganze Generation prägte. Autor Ingo Juknat vermutet allerdings nun den Retro-Trend zum mobilen Kassettenspieler.

Ich habe keine Ahnung, wohin sie die letzten Exemplare verkauft haben – nach Nordkorea vielleicht oder Kuba. Tatsache ist, jetzt ging bei Sony in Japan der letzte Walkman vom Band. Ja, der mit den Kassetten. Vor kurzem wurde ich von einer Freundin ausgelacht, weil ich das Wort „Walkman“ synonym für „iPod“ benutzt hatte. „Außer Dir sagt das kein Mensch mehr.“ Für mich war Walkman immer noch der Ausdruck für jede Art von tragbarem Musikgerät. Und, ich meine, sind die Leute nicht noch Anfang der 2000er scharenweise mit mobilen Kassettenspielern rumgelaufen?

31 Jahre ist der Walkman alt geworden. Jetzt ist er tot, und ich wette, es wird kein halbes Jahr vergehen, bis die ersten Hipster in Berlin-Mitte ihre alten Plastikkisten rausholen und den Walkman als Alternative zum „seelenlosen“ iPod tragen werden. Die Nostalgisierung der Kassette hat ja ohnehin längst begonnen, wie man u.a. am CD-Titel von Grand-Prix-Lena sehen konnte, der da hieß: „My Cassette Player“. Der Kollege Thomas Lau hat an dieser Stelle schon bemerkt, wie unwahrscheinlich es ist, dass Frau Meyer-Landrut jemals einen besessen hat, aber das nur am Rande.

Musikalische Autisten

Wichtiger ist wahrscheinlich, sich zu überlegen, was wir dem Walkman verdanken, falls überhaupt etwas. Immerhin gibt es Kritiker, die meinen, er hätte die Menschen zu musikalischen Autisten gemacht. Früher habe man Songs fast nur in der Gruppe gehört, plötzlich lief jeder mit seinen eigenen Mixen herum. Interessanterweise hatte der allererste Walkman von 1979 zwei Kopfhörer-Ausgänge – die Erfinder gingen also tatsächlich davon aus, dass man die Musik teilen würde. Von dieser Idee ist bekanntlich nicht viel geblieben.

Positiver gesehen war der Walkman ein Abschottungsgerät. Erstmals konnte man durch die Großstadt gehen und sie mit einem eigenen Soundtrack bespielen. Man konnte in der U-Bahn sitzen und war nicht gezwungen, jedes Gespräch der Nachbarn mitzuverfolgen. In mancher Hinsicht ist der Walkman, und heute der iPod, das Gegenmittel zum Handy. Während manche Handynutzer ihre Privat- und Geschäftssphäre in den öffentlichen Raum hineintragen, sorgt der iPod für einen Schutzschirm vor den Zumutungen anderer. Seien wir ehrlich, manche Großraumfahrt mit der Deutschen Bahn wäre ohne ihn kaum noch zu ertragen.

Es muss merkwürdig gewesen sein, 1979 die ersten Walkman-Träger in der Stadt zu beobachten – Leute, die sich zum Takt einer unhörbaren Musik bewegen wie Darsteller in einem Stummfilm. Heute sprechen die Leute in fast unsichtbare Headsets, demnächst werden sie in der augmented reality herumfuchteln und Bewegungen ausführen, die nur sie selbst verstehen können. Es wird alles noch viel seltsamer.