Berlin. . Wo soll der radioaktiv schwer verseuchte Atommüll des deutschen Atomzeitalters am Ende dauerhaft gelagert werden? Die vor Jahrzehnten getroffene Festlegung auf einen Salzstock im niedersächsischen Gorleben ist vom Tisch. Jetzt wird im ganzen Land gesucht.

So viel erklärte Gemeinsamkeit gibt es in der Politik selten. Ein „nationaler Konsens“, wie es Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) nennt, soll eine der heikelsten Zukunftsfragen Deutschlands beantworten. Wo soll der radioaktiv schwer verseuchte Atommüll am Ende dauerhaft gelagert werden? Bislang wurde nur der Salzstock im niedersächsischen Gorleben auf seine diesbezügliche Tauglichkeit untersucht. Die vor Jahrzehnten getroffene Vorfestlegung ist nun vom Tisch. Jetzt soll im ganzen Land nach geeigneten Lagerstätten gefahndet werden. Damit könnte ein Endlager auch in Baden-Württemberg, Bayern oder Nordrhein-Westfalen eingerichtet werden.

Die Bereitschaft dazu ist über die Parteigrenzen hinweg groß. Mit dem beschlossenen Ende des Atomzeitalters in Deutschland kann auch der ideologische Streit über die Kernkraft beerdigt und nach pragmatischen Lösungen gesucht werden. Denn: „Irgendwo muss das Zeug einfach hin“, sagt der Ministerpräsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann (Grüne). Das übliche Gezänk sei nicht angebracht, da dieser Vorgang „theologische Zeiträume umfasst“. Der Atommüll muss für viele 1000 Jahre sicher untergebracht werden.

Arbeitsgruppe soll Kriterien für Endlagerstätte erarbeiten

Auf einen Fahrplan haben sich die Beteiligten nun geeinigt. Noch in diesem Jahr wird eine Arbeitsgruppe gebildet, der neben dem Bund die Länder Hessen, NRW, Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen angehören. Deren Fachleute wollen sich über ein Auswahlverfahren für die Standortsuche verständigen. Gesucht werden wissenschaftliche Kriterien für einen geeigneten Ruheplatz, anhand derer die in Frage kommenden Stätten miteinander verglichen werden können.

Geklärt werden dabei auch grundlegende Entscheidungen. Soll der Müll oberirdisch oder weit unter der Erde gelagert werden? Soll das Lager, wenn nötig, auch wieder geräumt werden können? Sind Salzstöcke, Granit- oder Tongesteinsformationen am besten geeignet? „Wir wollen die beste und sicherste Lösung“, sagt NRW-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD). Bis nächsten Sommer soll ein Gesetzentwurf erarbeitet werden, der das Auswahlverfahren festlegt. Danach machen sich Forscher auf die Suche. Fehler der Vergangenheit wollen Bund und Länder vermeiden. So sollen die Bürger an allen Schritten beteiligt werden.

Gorleben - Symbol des Widerstands gegen Atomkraft

Rund 1,6 Milliarden Euro hat die Erkundung von Gorleben bisher gekostet. Der Salzstock ist auch zum Symbol des Widerstands gegen die Atomkraft geworden. Aus dem Rennen ist das Lager in Lüchow-Dannenberg aber noch nicht. Die Erkundung soll auch dort weitergehen.

Bis zur endgültigen Entscheidung durch Bundestag und Bundesrat werden noch Jahre vergehen. Die ausgewählte Region muss sich dann in ihr Schicksal fügen. „Das Endergebnis wird die Betroffenen nicht erfreuen“, weiß Röttgen. Bis zu 40 000 Kubikmeter hochradioaktiver Reststoffe werden dorthin verfrachtet. So viel fällt bis zum Ende der Laufzeit der Atommeiler an.