Frankfurt/Main. . Irritationen in der Politik, Kurzsstürze an den Börsen und deutliche Kritik in der Wirtschaft: Die geplante Volksbefragung in Griechenland zu den EU-Rettungsplänen hat weltweit kontroverse Reaktionen hervorgerufen. Anleger sind geschockt, Wirtschaftsvertreter in Rage.
Die überraschende Ankündigung eines Referendums in Griechenland über die drastischen Sparmaßnahmen hat am Dienstag die Börsen auf Talfahrt geschickt. Vor allem die Titel von Banken ließen den Deutschen Aktienindex (Dax) um zwischenzeitlich mehr als sechs Prozent ins Minus stürzen, am Abend schloss er mit einem Minus von fünf Prozent bei 5.834,51 Punkten. Der Euro verlor gegenüber dem Dollar deutlich an Wert.
Am Nachmittag war der Dax zwischenzeitlich um 6,2 Prozent abgestürzt. Besonders hohe Verluste mussten Finanzinstitute hinnehmen. Die Papiere der Deutschen Bank lagen zum Handelsschluss um 7,97 Prozent, die der Commerzbank um 9,42 Prozent im Minus. Der Kurs des Versicherers Allianz verlor 7,95 Prozent.
Noch härter traf es die französischen Banken an der Pariser Börse. Der Kurs der Société Générale fiel zwischenzeitlich um 16 Prozent. Die Aktien der Konkurrenten Crédit Agricole und BNP Paribas büßten zwischenzeitlich mehr als zwölf Prozent an Wert ein. Insgesamt sank der Pariser Leitindex CAC-40 bis zum Abend um 5,38 Prozent. Der Londoner Index FTSE-100 schloss derweil bei einem Minus von 2,21 Prozent. Die Börse in Mailand beendete den Handel mit einem Minus von 6,80 Prozent, der Handelsplatz in Madrid mit einem Verlust von 4,19 Prozent.
Anleger flüchten in Deutsche Staatsanleihen
Geschockt über die Ankündigung des Referendums in Griechenland flüchteten die Anleger in sicher geltende Papiere wie deutsche Staatsanleihen. Käufer deutscher Papiere mit einer Laufzeit von zehn Jahren verlangten am Dienstagnachmittag nur noch eine Rendite von 1,785 Prozent. Auch die Rendite auf französische Schuldpapiere fiel, allerdings stieg zugleich der Abstand zu den deutschen Papieren - was als Zeichen für Misstrauen der Anleger spricht. Der Kurs des Euro fiel am Dienstag auf einen Wert von 1,3706 Dollar nach 1,3851 Dollar am Montagabend.
Vertreter der deutschen Wirtschaft haben überwiegend mit Kritik auf das in Griechenland geplante Referendum zu den Ergebnissen des EU-Gipfels reagiert. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, sieht in der Abstimmung eine Gefahr für die Euro-Rettung. Griechenland stehe vor einer „ganz harten Sanierungsaufgabe“, sagte Wansleben am Dienstag auf dapd-Anfrage. Dazu brauche die Regierung eine klare Legitimation.
„Aber natürlich bergen die jetzigen Diskussionen in Griechenland ein hohes Risiko“, sagte Wansleben. Auch die Euro-Rettung könne dadurch zu einer „gefährlichen Hängepartie werden“.
Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou hatte am Montagabend angekündigt, dass das Volk über die in der vergangenen Woche beim Euro-Gipfel gefassten Beschlüsse abstimmen soll.
Wirtschaft kritisiert Referendums-Plan als unverantwortlich
Der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Anton F. Börner, bezeichnete das Vorhaben als unverantwortlich. „Man kann einen Lösungsansatz nicht in zähen Verhandlungen durch die Parlamente bringen und danach sagen: Wir fangen jetzt von vorne an“, sagte Börner. Die Entscheidungen des EU-Gipfels seien zur Rettung Griechenlands erfolgt. Athen hätte vor dem EU-Gipfel deutlich machen müssen, dass es das Volk über die Beschlüsse abstimmen lassen wolle.
Auch beim Bundesverband deutscher Banken erregte die Volksabstimmung über die Finanzhilfen Unmut. Die Pläne der griechischen Regierung hätten zu erheblicher Verunsicherung an den Märkten geführt, sagte Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer. Wichtige Detailplanungen im Nachgang des Euro-Gipfels würden nun verzögert, schlimmstenfalls auf Eis gelegt. Zudem sei völlig unklar, was passiere, wenn das Hilfspaket abgelehnt wird.
„Diese sich wahrscheinlich über Wochen hinziehende Unsicherheit ist für die Stabilisierung der nach wie vor schwierigen Lage alles andere als hilfreich“, sagte Kemmer. Die Deutsche Bank, die Commerzbank und der Bundesverband der Deutschen Industrie wollten sich zu der geplanten Abstimmung in Griechenland auf Anfrage nicht äußern.
Am Montagabend hatte der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou angekündigt, sein Volk über die vereinbarte internationale Finanzhilfe und den Schuldenschnitt für Griechenland abstimmen zu lassen. Athen muss ein weitreichendes Sparpaket umsetzen, um die Hilfen in Anspruch nehmen zu dürfen. (afp/dapd)