München. Schwere Vorwürfe gegen den Bahn-Vorstand erhebt Datenschützer Alexander Dix in seinem Untersuchungsbericht zur Datenaffäre. So seien Kontodaten beschafft worden und sogar Minderjährige ins Visier der Ermittler gerückt. Dix zeichnet das Bild eines außer Kontrolle geratenen Staatskonzerns.
Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix erhebt in seinem Untersuchungsbericht zur Datenaffäre schwere Vorwürfe gegen den Vorstand der Deutschen Bahn AG. Wie das Nachrichtenmagazin «Focus» berichtet, beschreibt das 64-seitige Dossier das Bild eines außer Kontrolle geratenen Staatskonzerns, der jahrelang Mitarbeiter und Geschäftspartner an den Datenschutzgesetzen vorbei ausforschen ließ. «Bei der DB AG sind viele Daten bis heute nicht gelöscht», heißt es im «Focus» vorliegenden Bericht. Viele Mitarbeiter blieben «im Vorhof des Verdachts». Selbst private Kontendaten in Originalauszügen seien beschafft und Minderjährige ins Visier der Ermittler gerückt worden.
Intimspäre ausgeforscht
Laut Dix-Dossier lieferte die Kölner Detektei Argen GmbH, eingeschaltet über eine Anwaltskanzlei im Auftrag der Bahn, «in großem Umfang Kontodaten an die DB AG» in einem Fall mit vagem Korruptionsverdacht. Bei einem Verdächtigen wurden ohne sein Wissen «Kontobewegungsdaten erhoben», und zwar «ab Dezember 1999 bis weit ins Jahr 2000 hinein» sowie «vom 27. Juli 2002 bis zum 7. Oktober 2002». Drei Konten des Bahn-Geschäftspartners überprüften die Ermittler laut Bericht ohne Beweise für Unregelmäßigkeiten zu finden. Auch die Intimsphäre sei dabei ausgeforscht worden.
Laut den Berliner Datenschützern «geht aus den zum größten Teil im Original gesichteten Bankunterlagen hervor, dass der Betroffene Unterhalt an seine Kinder zahlte und Geld an Ärzte an die Nuklearmedizin Hanau überwies, auch wurde eine Arztrechnung für Ehefrau oder Tochter beglichen». Weiter schreibt Dix: «Es ist kaum vorstellbar, dass die Daten ohne Verstoß gegen strafrechtliche Normen in den Besitz der Argen GmbH kommen konnten.» Die offenbar illegal beschafften Dokumente würden «bis heute durch die DB AG gespeichert».
Beim Spähprojekt «Rubens» durch die Berliner Ermittlungsfirma Network Deutschland GmbH habe die Revision 2002 nur «aufgrund eines anonymen Schreibens und der Vorlage von gefälschten Quittungsbelegen eine vierjährige Prüfung» gegen DB-Mitarbeiter der Abteilung Einkauf durchgeführt. Dabei seien auf Firmenrechnern «auch private Dateien ... über private Kontobewegungen, Reisetätigkeit und Familienverhältnisse» ausgeforscht worden. Obwohl kein Verdacht mehr gegen die Betroffenen bestehe, seien die Network-Unterlagen und Revisionsermittlungen «bis heute gespeichert». Beim Projekt «Eichhörnchen I» fahndeten Network-Spezialisten laut Bericht nach privatem «wirtschaftlichen Engagement» von 774 Führungskräften samt ihren 500 Ehepartnern. Selbst Minderjährige seien für die Ermittler dabei von Interesse gewesen. «Es sollten auch Kinder aufgeführt werden, die nicht volljährig sind», lautete dem Dix-Bericht zufolge der Auftrag der Bahn an Network.
Bei groß angelegten Datenabgleichen wurden demnach fast alle Bahn-Mitarbeiter gleich mehrmals (1998, 2002/3, 2005/6) gerastert. Ein erforderliches «schriftliches Vorabkonzept» oder «rechtliche Abwägungen» habe es dabei nicht gegeben. Sogar Schaffner seien der Korruption verdächtigt worden. Ein Screening von Mitarbeitern («Zugbegleiter, Fahrkartenverkäufer»), bei denen offensichtlich «keinerlei Gefahr» bestanden habe, sei «unverhältnismäßig und damit rechtswidrig». (afp)