Washington. . Im New Yorker Finanzdistrikt wächst sich der Dauerprotest gegen die Allmacht der Banken aus. Wutbürger machen Teile der Wall Street zu einer Mischung aus Woodstock und Wendland. Am Wochenende wurden kurzzeitig 700 Demonstranten verhaftet.

Michael Moore, der in Volksbewegungen erfahrene Filmemacher und Provokateur, hatte schon vor einigen Tagen in einem Live-Interview vor Ort davor gewarnt. Sollte die New Yorker Polizei bei ihrer Strategie gegen die seit knapp zwei Wochen andauernden Proteste gegen die Übermacht der Banken unverhältnismäßig werden, sagte der schwergewichtige Brillenträger, könnten dem Finanzdistrikt an der Südspitze Manhattans turbulente Zeiten drohen.

Seit dem Wochenende ist die Lage rund um den Zuccotti Park, den Hunderte Demonstranten zum Hauptquartier ihrer „Occupy Wall Street”-Aktion („Besetzt die Wall Street“) gemacht haben, deutlich angespannter. „Man hat uns ganz klar in eine Falle gelockt”, bilanzierte die 34-jährige Annie Day gegenüber Zeitungsreportern einen Einsatz, der am Ende über 700 Demonstranten vorläufig in Polizeiobhut brachte.

Revolutionäre, Tierversuchsgegner und Klimaschützer

Das Gros wurde zwar noch in der Nacht zum Sonntag wieder auf freien Fuß gesetzt. Bei dem bunt zusammengewürfelten Haufen aus Globalisierungskritikern, selbst ernannten linken Revolutionären, Tierversuchsgegnern und Klimaschützern, die Teile der New Yorker Finanzmeile in eine Mischung aus Woodstock und Wendland verwandelt haben, wächst indes der Verdruss.

Die Polizei griff zu, als die Demonstranten den Fußweg der Brooklyn Brücke verließen und so den Autoverkehr teilweise zum Erliegen brachten. Erboste Augenzeugen berichteten, die Ordnungshüter hätten die Protestler, die sich Tag für Tag auch in den Medien größeren Zuspruchs erfreuen, erst auf die Brücke gelotst, dann von beiden Seiten eingekesselt – und schließlich verhaftet.

Der Protest wird aggressiver

Nach einem umstrittenen Pfefferspray-Einsatz der Beamten vor ein paar Tagen, dessen Verbreitung über Youtube um die halbe Welt ging, rechnen Beobachter nun mit einer „aggressiveren Form des Protestes”.

Unterstützt wird das diffuse Unbehagen gegen die im Schatten des Bronze-Bullen vermutete Macht der Finanzmärkte von prominenten Globalisierungskritikern wie Noam Chomsky und Naomi Klein. Sie sehen in dem Treiben das „Erwachen” einer jungen Generation, die sich nicht mit „angeblichen Sachzwängen” abspeisen lassen will.

Susan Sarandon zu Besuch

Um ihre Sympathie zu bekunden, stattete die bekannte Schauspielern Susan Sarandon („Dead Man Walking”) den in Zelten campierenden Demonstranten jüngst einen Besuch ab. Weitere Solidaritätsadressen werden erwartet.

Für die New Yorker Banker hat sich diese Form der Basisdemokratie bereits als misslich erwiesen. Der von engen Häuserschluchten geprägte Finanzdistrikt ist durch Dutzende Absperrgitter zu einem Hindernis-Parcours geworden. Anwohner wie Geschäftsleute maulen über die Widrigkeiten des Alltags. Nicht selten, dass sich die Finanzjongleure nach Dienstende auf dem Heimweg energischen Fragen nach der Legitimität von Leerverkäufen und anderen umstrittenen Finanztransaktionen stellen müssen. Einige kontern regelmäßig mit dem Spruch: „Nicht wir tragen die Schuld, die Regierung ist es.”

Bestens vernetzt durch Facebook und Twitter

Am Anfang, so ist in der „New York Times” zu lesen, glaubten die Behörden noch an eine „Eintagsfliege”, wie sie so oft in der Millionen-Metropole vorkommt. Doch die heterogene Bewegung, bestens vernetzt duch soziale Medien wie Facebook und Twitter, will partout nicht weichen. Einige Teilnehmer ziehen, aus Unkenntnis oder Hybris, tatsächlich Parallelen zu den Demonstrationen im arabischen Frühling. Man spielt Avantgarde.

NYPD, die Ordnungsmacht in der Stadt, kann darüber nicht wirklich lachen. Sie erkennt in den meist jugendlichen Demonstranten einen latent gefährlichen Unruheherd. Krawallnächte wie sie unlängst in London geschehen sind, werde man unter allen Umständen verhindern, hieß es aus dem Umfeld von Polizeichef Raymond Kelly.