Essen. . Prominente Koalitionspolitiker fordern den harten Schnitt: Griechenland soll den Euro abgeben, um dann geordnet Insolvenz anmelden zu können. Ökonomen warnen aber, dann werde es für Deutschland noch teurer. Ein Überblick über mögliche Szenarien.

Je verfahrener die Lage Griechenlands wird, desto mehr Politiker melden sich zu diesem hochkomplexen Thema zu Wort. Nun ist eine Forderung zurückgekehrt, die mit den Rettungsschirmen fast schon erledigt schien: Werft die Griechen aus dem Euro raus. So oder so ähnlich haben sich Spitzenpolitiker aus FDP, CDU und CSU zuletzt geäußert. Und damit gegen die offizielle Linie der Bundesregierung gestellt.

So gab sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erneut zuversichtlich, mit den geplanten Hilfen Griechenland und den Euro insgesamt retten zu können.

Auslöser für die Aufregung war die plötzliche Abreise der Finanzaufseher vom Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Union, und der Europäischen Zentralbank aus Athen. Auch wenn von einem Abbruch der Gespräche mit den drei wichtigsten Geldgebern Griechenlands offiziell keine Rede war, wurde dies allgemein als Zeichen gewertet, dass die Sparanstrengungen der Griechen einiges zu wünschen übrig lassen.

Verfassungsgericht entscheidet über Griechen-Hilfen

Dann gebe es eben auch kein Geld mehr, folgerten Politiker wie Wolfgang Bosbach (CDU), Ursula von der Leyen (CDU, Arbeitsministerin), Christian Lindner (FDP) und Gerda Hasselfeldt (CSU). Alles prominente Namen, auch wenn sie in Sachen Finanzen nicht zu den Entscheidern der schwarz-gelben Koalition gehören. Bewusst schwammig bleibt der Wirtschaftsminister und Vizekanzler Philipp Rösler (FDP): „Wir sagen Ja zur Integration, aber mit ordnungspolitischer Vernunft.“ FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms sprach sich in der Ulmer "Südwest-Presse" für einen Rauswurf Griechenlands aus der Euro-Zone aus. Das Land habe die Bedingungen für finanzielle Hilfen immer wieder nicht eingehalten. "Das kann auf Dauer nicht zugelassen werden", sagte er. "Auch andere Staaten kämen in die Versuchung, so zu verfahren und auf Kosten der stabilen Länder eine unverantwortliche Ausgabenpolitik zu betreiben." Eine dauerhafte Vergemeinschaftung der Lasten komme für Deutschland überhaupt nicht in Frage.

Die Opposition hielt sich zu diesem Thema auffallend bedeckt.

Insgeheim mögen manche den Klägern um den notorischen Euro-Kritiker Peter Gauweiler (CSU) die Daumen drücken, wenn das Bundesverfassungsgericht morgen über deren Klage gegen den Rettungsschirm befindet.

Ökonomen wie der IW-Chef Michael Hüther und die führenden deutschen Banker schütteln dagegen über die Querschüsse aus den eigenen Reihen der Koalition nur den Kopf. Sie erklärten einhellig, der Rettungsschirm komme die Deutschen am Ende billiger als ein Rauswurf der Griechen mit anschließender unvermeidbarer Staatspleite.

Das Rauswurf-Szenario

In den Verträgen zum Euro ist der Austritt eines Mitgliedslandes gar nicht vorgesehen. Bei einem extrem hohen politischen oder ökonomischen Druck und dem unbedingten Willen eines Staates würde die Eurozone wohl einen Austritt Griechenlands ermöglichen. Der große Vorteil: Die Griechen könnten die Drachme wieder einführen und sofort stark abwerten, damit Produkte und Dienstleistungen international wettbewerbsfähiger werden. Nach einer Abwertung wäre für Deutsche etwa der Urlaub dort viel günstiger als in Spanien oder Italien. Das könnte zumindest der Tourismus-Industrie auf die Beine helfen.

Doch der Austritt hat für die Griechen ein paar gewaltige Haken. Der Staat hat sich in Euro verschuldet und muss seine Anleihen auch in Euro zurückzahlen. Da Griechenland den Schuldendienst derzeit nicht leisten kann, bliebe der Regierung in Athen nur der sofortige Staatsbankrott. Dann müsste Athen mit den Gläubigern einen Schuldenschnitt aushandeln. Die Banken verzichten dann wohl gezwungenermaßen auf die Hälfte ihres Geldes. Die Regierung müsste dann noch härter sparen, weil sie weniger einnimmt als sie ausgibt und keine Bank ihr mehr eine Drachme leihen würde.

Unabsehbar sind zudem die Folgen eines Austritts für das Finanzsystem insgesamt. Die griechischen Banken wären vermutlich sofort pleite, weil sie auf riesigen Forderungen gegen den eigenen Staat sitzen bleiben. Außerdem könnte die Bevölkerung aus Angst um ihr Erspartes alles Geld abheben. International kämen wahrscheinlich die anderen Schuldenstaaten und der Euro mächtig unter Druck. Im schlimmsten Fall wäre es der Anfang vom Ende der Gemeinschaftswährung mit vielen Mitgliedern und der Beginn einer neuerlichen weltweiten Bankenkrise mit nachfolgender Rezession.

Das Weiter-so-Szenario

Derzeit ist auch ein Weiter-So für die Griechen düster. Die Wirtschaft steckt in einer schweren Depression, auch weil der Staat den Gürtel enger schnallt. Das bedeutet weniger Steuereinnahmen und noch geringere Spielräume für den Aufbau. Damit sinkt trotz aller Hilfe anderer Euro-Länder die Fähigkeit der Griechen, sich am eigenen Schopf aus dem Schlamassel herauszuziehen. Das Land spart sich kaputt. Dieses Szenario würde auch bedeuten, dass die Euroländer Griechenland länger helfen oder sogar einen Teil ihrer Forderungen irgendwann abschreiben müssten.

Der Rettungsschirm der anderen Euroländer reicht zwar aus: Griechenland muss sich nach den jetzigen Plänen bis 2020 bei den Banken nichts mehr leihen. Doch die Schuldenkrise schwelt weiter. Die Finanzmärkte bleiben deshalb nervös. Das könnte andere, größere Schuldner unter den Rettungsschirm zwingen, etwa Italien oder Spanien. Für sie reichen aber nicht einmal die 700 Milliarden Euro im Rettungsschirm aus. Im schlimmsten Fall müsste Deutschland für gewaltige Summen gerade stehen. Auch deshalb empfinden viele Bundestagsabgeordnete vor der entscheidenden Abstimmung großes Unbehagen.

Die Lage könnte eskalieren, wenn Athen seinen Pflichten nicht nachkommt, worauf es zuletzt Hinweise gab. In diesem Fall hat die Bundesregierung ein großes Problem. Die Hilfen sind an die Einhaltung der Regeln gebunden. Schließt die Regierung bei Verstößen den Geldhahn, droht Griechenland der schnelle Staatsbankrott. Lässt sie ihn offen, ist auch der Rest an Vertrauen in eine verlässliche Politik verspielt. Zudem besteht die Gefahr, dass aus der Schuldenkrise der Staaten über eine Krise der Banken wieder eine Wirtschaftskrise entsteht. Das könnte eine Abwärtsspirale in Gang setzen, die weitere Schuldenstaaten in den Abgrund reißt.