Berlin. .

Alleinstehende Hartz-IV-Empfänger sollen 2012 zehn Euro mehr erhalten. Das bestätigte das Bundesarbeitsministerium. Gewerkschaften kritisieren die Höhe der Sätze und fordern eine Reform der Bedarfsbemessung.

Der Regelsatz für alleinstehende Hartz-IV-Empfänger soll vom kommenden Jahr an um zehn auf 374 Euro steigen. Das sagte eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums am Montag auf dapd-Anfrage und bestätigte damit entsprechende Medienberichte. Die Berechnungen seien nun abgeschlossen. Der Entwurf des Ministeriums werde noch mit den anderen Ressorts abgestimmt. Das Bundeskabinett solle noch im September darüber abstimmen.

Die Erhöhung um zehn Euro ergebe sich aus einer bereits beschlossenen Anhebung um drei Euro sowie einem Aufschlag als Inflationsausgleich. Kritik an der niedrigen Höhe des Regelsatzes kam unter anderem vom DGB und vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Grundsätzliche Kritik an der Höhe der Regelsätze kommt weiterhin von Gewerkschaften und Sozialverbänden. "Auch die angekündigte Zehn-Euro-Erhöhung macht die Hartz-IV-Regelsätze nicht verfassungsfester. Dass für die älteren Kinder gar keine Anpassung erfolgt, ist ignorant und geht an der Alltagsrealität von Familien vollkommen vorbei", sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, auf dapd-Anfrage. Nach Berechnungen des Verbandes müsste der Erwachsenen-Regelsatz mindestens 416 Euro betragen, um bedarfsgerecht zu sein und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu genügen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) reagierte skeptisch. "Die Ankündigungen des Arbeitsministeriums sind mit Vorsicht zu genießen", sagte Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach auf dapd-Anfrage. Leider zeigten die bisherigen Erfahrungen, dass die schwarz-gelbe Koalition ausschließlich nach Kassenlage entscheide, statt Hartz IV "armutsfest" zu machen. Der DGB forderte dazu eine grundsätzliche Reform der Hartz-IV-Regelbedarfsbemessung und die Einsetzung einer unabhängige Kommission, "die die tatsächlichen Notwendigkeiten transparent und gesellschaftlich akzeptiert festlegt".

Probleme bei der Neuberechnung

Zwei im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung erstellte Gutachten sehen bei der Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze eine Vielzahl von verfassungsrechtlichen Problemen. Die Gutachten beziehen sich auf die Erhöhung vom 1. Januar, bei der der Regelsatz um fünf Euro erhöht sowie ein Bildungspaket beschlossen worden war, das Kindern den Zugang zu Angeboten wie etwa Musikschulen ermöglichen soll.

Die Gutachter Johannes Münder und Irene Becker bemängeln in den am Montag in Berlin vorgestellten Expertisen im Wesentlichen, dass für die Berechnung der neuen Regelsätze falsche Vergleichsgruppen und ein zu geringer Konsumbedarf angesetzt wurden. Dies habe zu zu niedrigen Hartz-IV-Sätzen geführt. Außerdem sei das von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) durchgesetzte Bildungspaket verfassungsrechtlich fragwürdig.

Gutachter Münder, der Rechtswissenschaftler an der TU Berlin ist, nannte es im Grundsatz legitim, dass bei der Neuberechnung das Existenzminimum angesetzt wurde. Es sei aber vergessen worden, die in verdeckter Armut lebenden Haushalte - die darauf verzichten, ihnen zustehende Sozialleistungen zu beantragen - statistisch herauszurechnen. So würden sich systematisch zu niedrige Regelsätze ergeben.

Aktueller Satz zu niedrig

Außerdem falle der aktuelle Hartz-IV-Regelsatz alleine deshalb um knapp sechs Euro im Monat zu niedrig aus, weil der Mobilitätsbedarf nicht angemessen und intransparent ermittelt worden sei. Auch der Konsumbedarf sei falsch berechnet. Zudem sei beim Bildungspaket nicht berücksichtigt worden, dass es im Umfeld mancher Kinder gar nicht die entsprechenden Angebote gibt - diese Kinder würden leer ausgehen und könnten keine Kompensation dafür bekommen. Insgesamt listen die Gutachter zehn Aspekte auf, die die Neuberechnung nach ihrer Ansicht verfassungsrechtlich bedenklich machen.

Derweil bestätigte eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (Montagsausgabe), wonach die für 2012 geplante Erhöhung des Regelsatzes um zehn Euro dem Staat im kommenden Jahr 570 Millionen Euro kosten werde, von denen der Bund 540 Millionen Euro und die Kommunen 30 Millionen Euro tragen müssten. Zusätzlich entstünden durch die Erhöhung der Grundsicherung im Alter Mehrausgaben von 110 Millionen Euro. Wie die Sprecherin sagte, läuft derzeit die Abstimmung unter den Ressorts über den entsprechenden Verordnungsentwurf zur Regelsatzerhöhung. (dapd)