Essen. . Die WAZ steht vor einem Eigentümerwechsel: Teilhaberin Petra Grotkamp – eine Tochter des WAZ-Mitgründers Jakob Funke – hat den drei Enkeln des WAZ-Mitgründers Erich Brost ein Kaufangebot für deren 50-Prozent-Anteil gemacht. Über wesentliche Bedingungen des Erwerbs sei Einigkeit erzielt worden.
Es ist eine jener Geschichten, wie sie so oft in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen stehen. Die Kinder oder die Enkel des Firmengründers, die in München wohnen, haben kein Interesse daran, fortzuführen, was der Großvater im Ruhrgebiet angefangen hat. Dann wird eine Firma eben verkauft. Nur: Dieses Mal ist es ein Bericht in eigener Sache. Es geht um die WAZ.
Nächste Woche Donnerstag jährt sich der Todestag von Anneliese Brost zum ersten Mal. Es gibt einen Festakt auf Schloss Landsberg mit Lesung aus dem Leben der verstorbenen Frau des Firmenmitgründers Erich Brost. Gestern nun wurde bekannt, dass ihre Enkel deren Anteile verkaufen wollen. Sie haben, das war schon seit längerem einigen Menschen im Unternehmen bekannt, kein Interesse am Verlagsgeschäft.
Mangelndes Interesse am Verlagsgeschäft wird Günther Grotkamp niemand nachsagen können. Er war ein Vierteljahrhundert WAZ-Geschäftsführer. Nun bietet seine Frau Petra, die Tochter des WAZ-Mitbegründers Jakob Funke, den Brost-Enkeln eine halbe Milliarde Euro für den 50prozentigen Brost-Anteil. Mit den Nachkommen ist man schon einig, so erklärt es im Namen von Petra Grotkamp jedenfalls ihr Anwalt, Andreas Urban. Am Ende ist es also wahrscheinlich, dass die Funke-Seite im Hause WAZ die unternehmerische Führung übernimmt.
Das hängt davon ab, ob der Testamentsvollstrecker der Brost-Enkel dem Geschäft zustimmt. Peter Heinemann ist in keiner einfachen Lage. Er wurde zum Testamentsvollstrecker ernannt, um den Brost-Anteil in der Familie zu halten. Andererseits ist er dem Willen der Kinder des von Erich Brost ausgezahlten Sohnes Martin verpflichtet, die verkaufen möchten. Seine Stellungnahme weist auf dieses Dilemma hin: „Ich werde alles gründlich prüfen und die testamentarische Verfügung des Erblassers und die Interessen der Enkel abwägen.“
Was wollen die Grotkamps? „Klare Gesellschafterstrukturen schaffen und sicherstellen, dass die WAZ-Mediengruppe auch künftig als Familienunternehmen Erfolg haben kann.“ Frau Grotkamp erklärt auf Anfrage, sie wolle fortführen, was „ihr Vater Jakob Funke gemeinsam mit Erich Brost aufgebaut“ hat. Eine wichtige Rolle im Gesellschafterkreis werde künftig Niklas Jakob Wilcke spielen, der Sohn Petra Grotkamps und Enkel des Firmen-Mitgründer Funke. Die Brost-Enkel steigen aus, der Funke-Enkel steigt ein.
Die Grotkamps haben ihre Entscheidung im Familienrat getroffen. Sie verpflichten sich mit ihrem Vermögen auf die Zukunft des Medienhauses. Der Brost-Anteil ist ihnen eine halbe Milliarde Euro und ein Bekenntnis wert: „Print-Medien werden auch in Zukunft erfolgreich sein, wenn sie sich den Gegebenheiten der Zeit anpassen“, also etwa ihr Geschäft ins Digitale verlängern.
Petra Grotkamp versteht dies ausdrücklich als Signal „an die Leser und Mitarbeiter in allen Regionen des Verbreitungsgebietes, dass die Zukunft der Gruppe langfristig gesichert ist“. Die Erfahrung anderer Medienhäuser mit verlagsfernen Finanzinvestoren bleiben der WAZ mithin erspart.
Ändert sich etwas politisch? Immerhin: Erich Brost, der erste WAZ-Chefredakteur, war, wie seine Frau Anneliese, SPD-Mitglied. Jakob Funke war CDU-Mann. Nur: Die Zeitungen waren immer politisch frei, die jeweiligen Chefredakteure haben die Richtlinienkompetenz. Heute macht kein Chefredakteur ein parteipolitisch ausgerichtetes Blatt, die Leser würden es auch nicht wollen.
Und auch in der Geschäftsführung spielt die alte Arbeitsteilung schon lange keine Rolle mehr. Bodo Hombach saß seinerzeit so gerne mit Jürgen Rüttgers zusammen wie heute mit Hannelore Kraft. Und sein Funke-Pendant Christian Nienhaus gehört zwar der CDU an, hat aber in seiner Karriere die Geschäfte von sechs eher linken Blättern geführt. Und so verwundert kaum, dass Petra Grotkamp betont, „selbstverständlich“ würden die in den Gesellschafterverträgen verankerten redaktionellen Grundsätze über die Ausrichtung der Zeitungen „weiter strikt beachtet“.
Wenn der Deal läuft wie geplant, gerät die traditionelle Simultan-Geschäftsführung, ein Manager von Brost, einer von Funke, an ihr Ende. Hombach, das kämpferische Ruhrgebietskind, würde nach neun Jahren an der WAZ-Spitze gehen.
Die WAZ-Blätter haben tatsächlich andere Sorgen als ihre Ausrichtung. Es geht geschäftlich darum, die Mediengruppe langfristig zu sichern und redaktionell, spannend zu bleiben; mindestens.