Essen. .
Vor nicht einmal zehn Monaten schien die Welt bei Ruhrgas noch in Ordnung zu sein. 1800 Beschäftigte hatten gerade ihre Büros in der neuen Konzernzentrale bezogen, als Ruhrgas-Chef Klaus Schäfer ein „Bekenntnis zum Energiestandort Essen“ ablegte. Stolz verwies er auf die lange Tradition der Gashandelsfirma, die seit 1926 in Essen ansässig ist. „Wir bleiben dem Standort Essen treu“, beteuerte Schäfer.
Heute sieht die Lage anders aus. Offen wird darüber spekuliert, dass die Ruhrgas-Konzernmutter Eon den Standort Essen aufgeben könnte. „Es gibt große Unruhe und Besorgnis unter den Beschäftigten“, berichtete Verdi-Sprecher Christoph Schmitz.
Denn das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ berichtet, Eon-Vorstandschef Johannes Teyssen wolle seine drei Standorte in Essen, München und Hannover schließen und hunderte Stellen streichen. Der Konzern äußerte sich zunächst ausweichend, was wiederum Verdi empörte. „Ein solches Vorgehen ist schlechter Stil“, sagte Schmitz.
Keine Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern
Teyssen habe monatelang nicht mit den Arbeitnehmervertretern gesprochen, kritisierte Eon-Konzernbetriebsratschef Hans Prüfer. Die Gewerkschaft fordert Klarheit von Eon. „Für die Transparenz ist es notwendig, dass der Vorstand unverzüglich den Aufsichtsrat und die Betriebsräte informiert“, forderte Verdi-Sprecher Schmitz. Er verwies unter anderem auf geltende Standort-Garantien bis Ende 2012, die auch den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen vorsehen. „Eon sieht sich gerne als guter Arbeitgeber. Deshalb erwarten wir zeitnah ein Signal, dass die vereinbarten Standort- und Beschäftigungszusagen über 2012 hinaus verlängert werden.“
Auch Essens Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) schaltete sich ein. Er zeigte sich besorgt und warnte vor einem Aus für Ruhrgas in Essen: „Nicht nur viele Arbeitsplätze wären damit bedroht, auch der Wegfall des Bereiches der Zukunftstechnologien wäre ein immenser Verlust für die Energiemetropole Essen.“ Allerdings bezeichnete Paß eine Schließung der Ruhrgas-Zentrale zugleich als „unwahrscheinlich“.
In der NRW-Staatskanzlei wird die Lage aufmerksam verfolgt. In Regierungskreisen hieß es, Eon habe versichert, dass noch keine Entscheidungen gefallen seien.
"Es sind Stärken von Ruhrgas verloren gegangen"
Ruhrgas galt jahrzehntelang als Perle unter Deutschlands Konzernen. Ein gutes Verhältnis zum russischen Staatskonzern Gazprom war ein Garant für den Erfolg. Es waren gerade die langfristigen Lieferverträge mit den Russen, die Ruhrgas stark machten. Doch diese Verträge sind nun ein Problem, da die Preise auf dem Weltmarkt eingebrochen sind. Hinzu kommt, dass die Ruhrgas-Konzernmutter Eon durch den Atomausstieg in Bedrängnis geraten ist.
Darüber hinaus plagen Eon gewaltige Schulden. Zu Jahresbeginn waren es 45 Milliarden Euro. Daher will sich Eon bis zum Jahr 2013 von Firmenanteilen im Umfang von 15 Milliarden Euro trennen.
Nach Einschätzung von Stephan Wulf, Energie-Analyst des Hamburger Bankhauses M.M. Warburg, zeigt sich nun, wie stark die Energiekonzerne unter Druck stehen: „Die zahlreichen Eon-Standorte sind historisch gewachsen. Hier gibt es sicherlich noch Raum für Kostensenkungen.“
Eon hatte Ruhrgas im März 2003 vollständig übernommen – und zwar nur durch eine Sondergenehmigung („Ministererlaubnis“) der Bundesregierung. SPD-Energieexperte Rolf Hempelmann erinnert daran, dass „gerade auch Ruhrgas von dem Zusammenschluss profitieren sollte“. Heute stellt Hempelmann fest: „Es sind Stärken von Ruhrgas verloren gegangen.“
Noch vor gut zwei Monaten betonte Klaus Schäfer, Ruhrgas sei der „erfolgreichste“ Zukauf gewesen, den Eon je getätigt hat. Dass ein scharfer Einschnitt bei Eon durch den beschlossenen Atomausstieg notwendig geworden sei, hält Grünen-Fraktionsvizechefin Bärbel Höhn für kaum plausibel. „Ein Umbau zu Lasten der Beschäftigten lässt sich nicht mit dem Atomausstieg begründen“, sagt sie. „Angesichts der über Jahre hohen Gewinne ist es nur selbstverständlich, dass Eon den Umbau sozialverträglich gestaltet.“