Frankfurt. . Früher gab es „20 Prozent auf alles“ - dann kam Boris Becker. Doch die neue Werbeikone hat sich für die Praktiker-Baumärkte nicht ausgezahlt. Ausgerechnet in der lukrativen Gartensaison verbuchte das Unternehmen Verluste.
Eine neue Werbestrategie mit Boris Becker als Zugpferd hat der Baumarktkette Praktiker einen Rekordverlust eingebrockt. Ausgerechnet zu Beginn der lukrativen Gartensaison schrieb der Konzern im Zeitraum von April bis Juni einen Fehlbetrag von 307 Millionen Euro. Das ist nach Unternehmensangaben der höchste Quartalsverlust seit dem Börsengang Ende 2005. Das Unternehmen gab am Mittwoch seine mittelfristigen Ziele auf und kündigte eine Überarbeitung seiner Marketingpläne an. Die Praktiker-Aktie stürzte um bis zu 9,4 Prozent ab und sank auf ein Allzeittief von 2,61 Euro.
Praktiker hat seine unprofitablen 20-Prozent-Rabattaktionen abgeschafft und setzt statt dessen auf mehr Service und ein übersichtlicheres Sortiment mit mehr Eigenmarken. Die im April gestartete Werbekampagne mit dem früheren Tennisstar Boris Becker kam jedoch bei den rabattverwöhnten Kunden bisher nicht an.
Vorstandschef zurückgetreten
„Die Neupositionierung von Praktiker Deutschland hat ihre Wirkung auf Umsatz und Ertrag bislang nicht so entfaltet wie erwartet“, räumte der amtierende Vorstandschef Wolfgang Werner ein. Er hat jüngst seinen Rücktritt eingereicht und führt das Unternehmen vorerst kommissarisch weiter. Ein Nachfolger ist noch nicht in Sicht.
Der Konzern, zu dem auch die Baumarktkette Max Bahr gehört, verbuchte einen Umsatzrückgang um acht Prozent auf 957 Millionen Euro. Im Kerngeschäft - bei der Kette Praktiker in Deutschland - gingen die Erlöse sogar um elf Prozent zurück. Die Branche hat dagegen nach Einschätzung des Baumarktverbands BHB im zweiten Quartal zugelegt, wie ein Verbandssprecher sagte. Selbst unter Herausrechnung von Sondereffekten wie den Kosten des Strategiewechsels verzeichnete die Praktiker-Gruppe operativ einen Ergebniseinbruch: Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebita) sank um 36 Prozent auf 42 Millionen Euro.
Aktie bricht ein
Börsianer hatten nach einer Gewinnwarnung von Praktiker Anfang Juli bereits Umsatz- und Ergebnisrückgänge erwartet, zeigten sich jedoch überrascht über deren Ausmaß. Das Papier, das allein seitdem mehr als die Hälfte an Wert verloren hat, war am Mittwoch schwächster Wert im Nebenwerteindex MDax. „Angesichts der nur noch geringen Börsenkapitalisierung dürfte demnächst ein Abstieg vom MDax in den SDax erfolgen“, urteilte Analyst Wolfgang Vasterling von der NordLB. Er empfahl die Aktie zum Verkauf und reduzierte seine Kurserwartung auf 2,50 Euro.
Praktiker will nun nachbessern: Der neue Werbeauftritt im Inland werde im zweiten Halbjahr überarbeitet, kündigte das Unternehmen an. „Wir müssen radikaler werden“, sagte Finanzchef Markus Schürholz. Die neue Preis- und Markenstrategie müsse den Kunden aggressiver verkauft werden. An Boris Becker werde Praktiker festhalten. Im Ausland sind Strukturanpassungen, Kostensenkungen und Personalabbau geplant. Dem Konzern macht die Wirtschaftskrise in wichtigen Ländern wie Griechenland und Rumänien zu schaffen. „Es gibt keine Tabus“, sagte Schürholz. Grundsätzlich werde Praktiker aber den eingeschlagenen Pfad weiterverfolgen.
Becker bleibt
Die mit dem Umbauprogramm verbundenen Geschäftsziele sind nun aber in die Ferne gerückt. Für die zuletzt noch für 2013 angepeilten operativen Margen von mehr als drei Prozent bei Praktiker in Deutschland, mehr als vier Prozent bei Max Bahr und mehr als sechs Prozent im Auslandsgeschäft traut sich das Unternehmen nun keinen Zeitrahmen mehr zu. Der Vorstand rechne damit, dass Umsatz und bereinigtes Ergebnis in diesem Jahr schrumpfen, 2012 stagnieren und 2013 wieder zulegen, hieß es lediglich. (rtr)