Im Westen. .
Energiekonzerne wie ExxonMobil und Wintershall spekulieren auf einträgliche Einnahmen aus unkonventioneller Erdgasförderung in Nordrhein-Westfalen. Gleichzeitig wächst die Front der Ablehnung. Grüne und Linke äußerten im Bundestag erhebliche Bedenken gegen die umstrittene Gasgewinnung und auch die CDU fordert eine scharfe Überwachung der Aktivitäten. Besonders aus NRW gibt es heftige Widerstände.
Während es in Nordrhein-Westfalen deutliche Kritik am Fracking-Verfahren gibt, ist dagegen Niedersachsen praktisch das gelobte Land. Zumindest aus Sicht der Energieunternehmen. Probleme mit der Erdgasförderung? „Nein, haben wir hier nicht“, antwortet Ulrike Fajen, stellvertretende Bürgermeisterin von Bötersen, einem kleinen Ort östlich von Bremen. Energieriese ExxonMobil ist gerade dabei, in ihrer Gemeinde die elfte Bohrung ins Erdinnere zu versenken, „Bötersen Z11“ heißt sie schlicht und einfach. „Proteste waren bei uns bisher kein Thema“, weiß die Kommunalpolitikerin der CDU. Seit Mitte der 90er Jahre strömt rund um Bötersen Erdgas aus dem Untergrund, bohrt ExxonMobil immer wieder neue Löcher. Hier lohnt sich die Förderung – auch für die Grundeigentümer. Bis zu 12 000 Euro Förderzins fließen pro Jahr an sie, die Gemeinde bekommt nicht unerhebliche Gewerbesteuerzahlungen. „Das“, vermutet Bürgermeisterin Fajen, „erhöht sicher auch die Akzeptanz.“
Jahrelang war die Sorge um Akzeptanz kein Thema für Förderfirmen. „Früher hat das hier doch niemanden interessiert“, staunt Dieter Sieber, „Mister Frac“ bei ExxonMobil, über das erwachte Interesse. Heute geben sich Besuchergruppen auf der Bohrstelle in Bötersen die Klinke in die Hand, um mehr zu erfahren über die neue Art nach Gas zu suchen.
So ganz neu allerdings ist die Technik gar nicht – seit Jahren schon werden tiefliegende geologische Schichten angebohrt und aufgesprengt, um das Gas aus den Poren des Gesteins zu gewinnen. Neu ist, dass man sich an immer härtere Schichten traut, um den fossilen Energieträger zu gewinnen. Mit steigenden Energiepreisen wird das wirtschaftlicher.
Besonders umstrittene Methode
Strömt aus offenporigem Sandstein das Gas quasi von selbst heraus, muss dichtes Schiefergestein, wie es in NRW im Mittelpunkt des Interesses steht, erst durch viele künstlich erzeugte Risse aufgebrochen werden. Erst dann gibt der Stein den wertvollen Rohstoff frei. Die Methode dazu, das hydraulische Fracking mit Chemiecocktails, ist besonders umstritten.
Bei ExxonMobil gibt man sich alle Mühe, die Sorgen zu zerstreuen. Verweist darauf, dass die immer wieder kritisierten amerikanischen Bohrplätze, wie man sie aus abschreckenden Fotos und Filmen kennt, nicht vergleichbar seien mit denen in Deutschland. „Dort kann jeder bohren, der sich das selbst zutraut. Hier in Deutschland haben wir ganz andere Standards“, betont Hans-Hermann Nack, Pressesprecher von ExxonMobil. Tatsächlich fallen im flachen Land rund um Bötersen und Söhlingen, wo es zahlreiche Förderstellen gibt, diese kaum auf. Erstmal in Betrieb, sind es, wie in Söhlingen, nur fußballplatzgroße Flächen, abseits von Bebauung, asphaltiert und umzäunt, mit einigen unspektakulären Rohrleitungen darauf.
Bohrtechnik "Fracking"
Auffälliger sind die Bohrplätze, dort, wo die Erschließung noch läuft. So wie in der Bohrung Z11 bei Bötersen, wo sechs Monate lang ein gut 40 Meter hoher Bohrturm steht, um bis auf 4800 Meter Tiefe in die Erde ein Loch zu treiben. Der gut 3000 qm große Platz ist mit Asphalt und einer Betonwanne versiegelt, es gibt eigene Wasserabscheider, um das Erdreich vor ungewollt austretenden Flüssigkeiten zu schützen. Davon gibt es potenziell viele. Das Bohrklein, das als flüssiger Schlamm aus dem Bohrloch gepumpt wird, kann schwach radioaktives Gestein beinhalten. Tausende Liter Flüssigkeit für die im Oktober/November geplanten zwei Fracs sind mit Chemie angereichert, um das Aufbrechen des Steins zu unterstützen. Und das Lagerstättenwasser, das mit dem Gas aus der Tiefe gefördert wird, kann mit allen möglichen Schwermetallen angereichert sein.
Im benachbarten Söhlingen verseuchte nach Jahren des Förderns eine undichte Leitung, aus der Lagerstättenwasser in den Boden floss, das Erdreich. Dass Unfälle immer wieder passieren können, muss ExxonMobil gerade in den USA erfahren, wo eine Öl-Pipeline unter dem Yellowstone-River aufplatzte und für eine Ölpest am Ausgang des amerikanischen Nationalparks sorgte.
Investition von 20 Millionen Euro
20 Millionen Euro investiert ExxonMobil in das Projekt „Bötersen Z11“. Dass kürzlich aus den USA gemeldet wurde, die unkonventionelle Erdgasförderung dort sei unwirtschaftlich, ficht ExxonMobil in Deutschland jedoch nicht an. „Dort ist der Erdgas-Preis in den letzten Jahren stark gefallen – Erdgas ist halb so teuer wie hier“, sagt Volkswirt Olaf Martins von ExxonMobil. Insgesamt rechnet die Branche mit steigenden Energiepreisen, die dafür sorgen sollen, dass sich auch die aufwändige unkonventionelle Förderung rechnet.
„Ab 5000 Kubikmeter Gas pro Stunde wird es wirtschaftlich“, erläutert Hans-Hermann Nack. Mit sogar 20 000 Kubikmetern rechnet er in Bötersen aufgrund der guten Erfahrungen, die man mit den Nachbarbohrungen gemacht hat. Auch wenn schon nach zwei Jahren die Fördermenge auf nur noch die Hälfte sinken wird, hofft ExxonMobil 15 Jahre lang das Feld Z11 ausbeuten zu können. „Hier“, sagt der Pressesprecher und nickt Bötersens Vize-Bürgermeisterin zu, „erwarten wir keine Niete.“