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Der Gaskonzern Gazprom, zugleich Schalke-Sponsor, nutzte seine deutsche Filiale als Steuersparmodell zu Lasten Russlands. Gas gelangte nur über Zwischenhändler nach Europa, dabei entgingen Russland wichtige Einnahmen aus Exportsteuern.

Vladimir Kotenev liebt den großen Auftritt. Sei es bei einer Stippvisite in der Spieler-Kabine des FC Schalke 04 an der Seite von Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies oder auf einer Champagnerparty unter den Linden in Berlin. Als Chef der deutschen Filiale des russischen Energieriesen Gazprom ließ Kotenev die Korken knallen.

Für Vladimir Kotenev sind die Glanzzeiten vorbei. Foto: Michael Gottschalk/ddp
Für Vladimir Kotenev sind die Glanzzeiten vorbei. Foto: Michael Gottschalk/ddp © ddp

Doch die Glanzzeiten sind vorbei. Kotenev hat seinen Job verloren. Und der Abgang hatte keinen Glamour. Gazprom Germania verabschiedete den einst Prächtigen mit einer dürren Pressemitteilung Anfang Juni. Ohne Erklärungen. Seither wird spekuliert: Warum musste Kotenev, der Ex-Botschafter der russischen Föderation, der Energiemanager, nach nur elf Monaten an der Spitze der deutschen Gazprom-Filiale gehen?

In Unterlagen, die dieser Zeitung vorliegen, lässt sich eine mögliche Antwort finden. Die Rede ist von einem Machtkampf hinter den Kulissen, von einer gewaltigen Pleite und einem gerissenen internationalen Steuersparmodell.

Fatale Verwicklung

Der Reihe nach: Schon vor einigen Jahren entwickelte der damalige Chef der Gazprom Germania, Hans-Joachim Gornig, ein erstaunliches Geschäftsmodell. Der ehemalige Vize-Energieminister der DDR stieg mit der deutschen Gazprom Germania im fernen Zentralasien, in der Diktatur Usbekistan, in die Förderung von Erdgas ein. Erstaunlich ist das deshalb, weil eigentlich in Zentralasien nur die russische Mutter Gazprom das Sagen hat. Doch ausgerechnet der Deutsche Gornig ließ mit Partnern in Usbekistan über zwei Joint-Venture-Firmen Gasfelder entwickeln: Kokdumalak und Gissar.

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Und nun beginnt die fatale Verwicklung. Vor dem Export nach Europa wurde das Gas aus den Feldern Kokdumalak und Gissar an den Zwischenhändler Zeromax verkauft — diese Firma stand der Tochter des usbekischen Diktators nahe. In Europa kaufte dann Gorniks Gazprom Germania das Gas vom Zwischenhändler über eine weitere Tochterfirma in der Schweiz zurück. Viele Beteiligte – nur die Mutter Gazprom war offiziell nicht mit dem Geschäft befasst.

Der Hintergrund des Dreieck-Deals: Steuern sparen. Hätte Gazprom direkt in Usbekistan Gas gekauft, wären in Russland beim Weiterverkauf nach Europa Exportsteuern fällig geworden. So aber wurde der Deal über juristisch selbstständige Gazprom-Töchter in Deutschland, der Schweiz und in Usbekistan abgewickelt. Exportsteuern wurden gespart. Diese können ansonsten leicht über 30 Prozent des Erlöses ausmachen. Ein Sprecher von Gazprom-Germania sagt: „Es ist klar, dass Gazprom, wie jeder andere Konzern, seine Möglichkeiten nutzt, um Steuern zu sparen.“

Palast für eine Milliarde Euro

Dumm nur, dass der Zwischenhändler Zeromax floppte. Im vergangenen Jahr wollte der usbekische Diktator Islam Karimow einen Palast von Zeromax geschenkt bekommen. Ein Traum aus Marmor, Messing und einem Geländer mit 4000 eingearbeiteten Smaragden, geformt wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht.

Der Traum kostete Zeromax rund eine Milliarde Euro – ohne dass die Firma einen messbaren Nutzen davon gehabt hätte. Der Palast wurde fertig, Zeromax ging Pleite. Dies traf vor allem Gazprom Germania, denn deren Tochterfirmen waren ja in dem Dreiecks-Deal mit Zeromax verwickelt. Wie aus Papieren hervorgeht, die DerWesten vorliegen, mussten die beiden Joint-Venture-Firmen mit Gazprom Germanie-Beteiligung, die vor allem die Felder Kokdumalak und Gissar kontrollieren, auf rund 2,6 Milliarden US-Dollar warten. Zeromax schuldete das Geld für den Gaskauf. Die Schweizer Gazprom-Germania-Tochter blieb auf rund 600 Millionen US-Dollar sitzen. Das Geld hatte sie für Gaslieferungen an Zeromax vorausgezahlt. Ein harter Schlag für die Bilanzen der deutschen Filiale. Die Gazprom-Spitze wurde aufmerksam. Die Russen wollten Antworten vom deutschen Management.

Feierwütiger Manager

Dort hatte im Juli 2010 der feierfreudige Kotenev das Ruder übernommen – und war damit mitverantwortlich für den Schlamassel. Zudem hatte er mit seiner extrovertierten Art das Missfallen der Russen erregt und sich obendrein noch mit Ex-Chef Gornig verzankt, der weiter als Gazprom-Berater tätig ist. Gornig ist in Moskau bestens vernetzt. Er hat direkten Zugang zu den Gazprom-Spitzen und verfügt über Drähte zum Allmächtigen Vladimir Putin. Kotenev wurde entlassen.

Im Hintergrund wird derweil nach einer Lösung gesucht. Aus dem Gazprom-Geflecht ist zu hören, die Russen würden direkt mit dem usbekischen Diktator über eine Rückzahlung der Zeromax-Schulden verhandeln. Offiziell verweist Gazprom Germania auf einen ausstehenden Geschäftsbericht. Die usbekischen Probleme würden darin ohne finanziellen Schaden für die deutsche Firma gelöst.