Essen. . Nur noch vier Atomkraftwerke sind ab Samstag in Deutschland am Netz. Die Bundesnetzagentur befürchtet allerdings keine Stromausfälle. Umweltverbände warnen indes vor einem von den Atomkonzernen inszenierten Blackout.
Da sind es nur noch vier: Wenn der Essener Energiekonzern RWE sein Kernkraftwerk Emsland zur geplanten Wartung herunterfährt, sind 13 von 17 deutschen AKW vom Netz. Zehn Tage dauert dieser Vorgeschmack auf den von der Bundesregierung anvisierten kompletten Atomausstieg.
Die Netzbetreiber sind angesichts dieses Engpasses bei der Stromerzeugung in erhöhter Alarmbereitschaft. Das Moratorium hat nicht nur den Atommeilern Stresstests beschert, sondern eben auch dem Stromnetz. Angst vor einem großflächigen Blackout müsse man jedoch nicht haben. „Obwohl zurzeit nur noch vier Atomkraftwerke am Netz sind, ist ein ,Blackout’ in Deutschland noch unwahrscheinlich. Die Situation der Stromnetze ist angespannt, aber derzeit noch beherrschbar“, sagte Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur.
Allerdings: Seit dem Inkrafttreten des Kernkraftwerks-Moratoriums haben die vier großen Betreiber Amprion, 50 Hertz, Tennet und EnBW alle Hände voll zu tun, damit die Lichter nicht ausgehen. Das Problem: Weil der überwiegende Teil des abgeschalteten AKW in Süddeutschland steht, ist ein Nord-Süd-Gefälle entstanden. Die Leitungen sind bis an ihr Maximum ausgelastet, um Strom gen Süden zu transportieren. Tennet-Sprecherin Joëlle Bouillon sagt es ganz deutlich: „Es ist seit Tag Eins angespannt. Und die Lage verstärkt sich.“
Reparaturarbeiten verschoben
Um „Laufmaschen“ im Netz zu vermeiden, bedienen sich die Hüter des Netzes eines ganzen Bündels von Maßnahmen. So seien Wartungs- und Reparaturarbeiten verschoben worden, so Amprion-Sprecher Marian Rappl. Teilweise auf ungewisse Zeit. Schließlich ist es ungewiss, ob und wie viele Meiler, die vom Moratorium betroffen sind, je wieder Strom liefern. Teilweise muss auch der Ausbau des Netzes warten. So hat Tennet den Ausbau des Umspannwerks Großkrotzenburg verschoben, „die beauftragten Firmen mussten wir wieder nach Hause schicken“, so Bouillon.
Darüber hinaus müssen die Netzbetreiber den Kraftwerksbetreibern in ihre Planung funken. So wurde die Wartung des Eon-Kohlekraftwerks Staudinger in Hessen auf Eis gelegt, um dessen Kapazität nutzen zu können.
Kritische Situation
Ein anderes Instrument ist das sogenannte „Redispatching“. Dabei werden bestimmte Kraftwerke angewiesen, ihre Stromerzeugung zu drosseln, während andere sie erhöhen müssen. Die Kosten bekommen die Kraftwerksbetreiber erstattet. Tennet allein griff seit Beginn des Moratoriums über 500 Mal zu dieser Maßnahme. Deutlich öfter als sonst in einem kompletten Jahr. In einigen Fällen hatte sich eine kritische Situation zusammengebraut.
Deshalb warnt Kurth „dringend davor, weitere Kraftwerke vom Netz zu nehmen. Dies können wir uns nicht leisten. Unser Strompuffer ist schon jetzt aufgebraucht“. Passiert in den nächsten zehn Tagen nichts – dann gehen zwei AKW wieder ans Netz –, „kann man nicht sagen, dass es dauerhaft doch geht“, warnt Christian Rehtanz, Netzexperte an der TU Dortmund. Sollten die vom Moratorium betroffenen Meiler nicht wieder ans Netz gehen, würden die Netzbetreiber verstärkt aufpassen und eingreifen müssen. „Das sind nicht erwünschte Markteingriffe, die teuer sind. Die Kosten werden am Ende an den Stromkunden weitergereicht“, so Rehtanz.
„Inszenierter Blackout“
Gerade im Herbst, wenn der Stromverbrauch steige, werde Atomstrom aus Frankreich, Belgien und Tschechien importiere.
Atomkraftgegner warnen vor einem „inszenierten Blackout“. Obwohl nur noch vier Kernkraftwerke am Netz seien, führen die Energieversorger ihre Reserve an Gas- und Kohlekraftwerken nicht hoch, kritisierte der Sprecher der Anti-Atom-Organisation „Ausgestrahlt“ Jochen Stay.