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18 Monate haben die Fahnder ermittelt. Mitte März schlugen sie zu. 300 Polizisten, Staatsanwälte und Steuerexperten durchsuchten in Köln, Düsseldorf, Leverkusen und anderswo 43 Wohnungen und Geschäftsräume. Bei zehn Verdächtigen im Umfeld italienischer Baufirmen in NRW klickten die Handschellen. Die Anklagebehörde wirft ihnen in großem Umfang Wirtschaftskriminalität, Steuerhinterziehung, die Hinterziehung von Sozialabgaben und wohl auch Geldwäsche vor.

Für Sebastian Fiedler, der früher Geldwäsche-Fälle beim Landeskriminalamt bearbeitet hat, gibt es solche Fahndungserfolge viel zu selten. „Der Staat verschließt die Augen davor, dass jedes Jahr in Deutschland über 50 Milliarden Euro schmutziges Geld gewaschen werden“, sagte er der WAZ-Mediengruppe. Weniger als ein halbes Prozent davon könne man sicherstellen. Es fehle an Zusammenarbeit der Behörden, aber auch an systematischer Kontrolle: „Wie auch, wenn wie in NRW Betriebe nur alle 27 bis 47 Jahre je nach Betriebsgröße steuerlich durchleuchtet werden“.

Fiedler steht mit dem Vorwurf nicht allein. Er weiß die EU-Kommission hinter sich, die die Bundesregierung gerade zum zweiten Mal wegen ihrer Untätigkeit in Sachen Geldwäsche abgemahnt hat. Sie droht Deutschland mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.

Auch die OECD glaubt an Schwachstellen bei der Kontrolle in Deutschland

Auch die Vereinigung der Industrieländer, die OECD, glaubt, Deutschland habe hier eine Schwachstelle. Von der OECD stammt die Schätzung des Schadens auf 50 Milliarden Euro. Allenfalls der Bankensektor schütze sich.

Jetzt will ein Zusammenschluss aus Bund der Kriminalbeamten, Steuergewerkschaft, Zoll- und Finanzgewerkschaft und Bund der Richter und Staatsanwälte in NRW Druck machen. Ihre Kritik: „In Deutschland ist es relativ gefahrlos möglich, in Spielbanken, Gewerbebetrieben, großen Unternehmen oder mit Immobiliengeschäften kriminelles Geld so zu waschen, dass es den Anschein einer legalen Herkunft erhält“. In Wahrheit stamme es aus Prostitution, Drogenhandel, Menschenschmuggel und auch aus Steuerhinterziehung.

Die Kritiker bemühen einen schmerzenden Vergleich: Was Liechtenstein für Steuerhinterzieher gewesen sei, das sei Deutschland für Geldwäscher – „ein Paradies“, wie Andreas Frank sagt. Er hat gerade als Sachverständiger vor dem Bundestag ausgesagt. Sein Vorwurf: „Es fehlt auf Bundes- und Länderebene der Wille, die bestehenden Gesetze im Kampf gegen die Geldwäsche durchzusetzen“.

Schwiegermutter beweist, wie einfach Geldwäsche geht

Der frühere Banker von Goldman Sachs weist seit Jahren europäische Behörden auf die Lücken der deutschen Geldwäsche-Bekämpfung hin. Seine eigene Schwiegermutter hat er vor zehn Jahren demonstrieren lassen, wie Geldwäsche geht: Er schickte sie zum Test in die Baden-Badener Spielbank. Sie brachte 50 000 Mark dorthin, durfte es auf simple Bitte in ein Depot der Spielbank einlagern. Keiner fragte, woher das Geld kam. Sie ließ es wenig später auf ihr Privatkonto überweisen. Wieder: Keine Fragen. Das Geld galt als steuerfreier Spielgewinn, obwohl sie nicht ein einziges Mal die Kugel geschoben hatte.

Wenig hat sich seither geändert. Wer in Deutschland mit viel Geld zu tun hat und den Verdacht schöpft, es könne auf nicht legale Weise erworben sein, muss dies melden. Das verlangt das Gesetz. Spielbanken sind verdächtig, dieser Pflicht nicht nachzukommen. Das hat das Bundeskriminalamt schon 2003 kritisiert. Jedes Jahr stellt seine Finanzaufklärungs-Einheit (FIU) einen Bericht auf. Zwischen 6000 und 8000 gemeldete Verdachtsfälle sind dort aufgelistet. 2003 hatten Spielbanken gerade einen davon gemeldet. Die Zahl ist seither auf magere acht gestiegen.

Der Experte Frank hat den Eindruck, dass die Bundesländer gute Geschäfte mit ihren 50 Spielbanken machen, rund 800 Millionen Euro jedes Jahr kassieren – und die Kundschaft nicht durch zu viele Fragen verschrecken möchten.