Düsseldorf. . Trotz Wirtschaftsaufschwungs müssen immer mehr Privatleute in Deutschland Insolvenz anmelden. Das zeigt eine aktuelle Studie. Schuld ist demnach vor allem die hohe Zahl von Arbeitsplätzen im Niedriglohnsektor.

Deutschland war 2010 die Konjunkturlokomotive Europas. Dennoch stieg die Zahl der Privatinsolvenzen in der Bundesrepublik im Vergleich mit anderen westeuropäischen Ländern überdurchschnittlich an. Schuld an der wachsenden Überschuldung sei nicht zuletzt die hohe Zahl von Arbeitsplätzen im Niedriglohnsektor, sagte Helmut Rödl, Vorstand der Wirtschaftsauskunftei Creditreform, am Dienstag in Düsseldorf bei der Vorstellung der Studie „Insolvenzen in Europa“. Auch beim Rückgang der Firmenpleiten lag Deutschland nur im Mittelfeld.

Europaweit stieg die Zahl der Privatinsolvenzen der Studie zufolge im vergangenen Jahr um 5,2 Prozent auf knapp 385.000. Deutschland profitierte nicht von seiner konjunkturellen Vorreiterrolle. Hier stieg die Zahl der privaten Insolvenzanträge sogar um 7,6 Prozent auf knapp 140.000.

Weiterer Anstieg erwartet

Rödl warnte, jeder zehnte Erwachsene in Deutschland - insgesamt rund 6,5 Millionen Menschen - sei inzwischen nicht mehr in der Lage, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Und für das kommende Jahr rechnet die Wirtschaftsauskunftei trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs sogar mit einem weiteren Anstieg der Überschuldung.

Eine der Ursachen dafür sei die hohe Zahl an Beschäftigten im Niedriglohnsektor, die Schwierigkeiten hätten mit ihrem Geld auszukommen, sagte Rödl. Andere Gründe für das Abrutschen in die Überschuldung seien der Verlust des Arbeitsplatzes, Krankheit oder Scheidung. Besorgniserregend ist aus Sicht des Experten vor allem, dass die größten Zuwächse in Sachen Überschuldung in Deutschland bei jungen Menschen im Alter von 18 bis 28 Jahren zu verzeichnen sind.

Deutschland hat Nachholbedarf

Deutlich besser verlief die Entwicklung bei den Unternehmen in Westeuropa. Der weltweite Wirtschaftsaufschwung führte im vergangenen Jahr bereits zu einem leichten Rückgang der Zahl der Firmenpleiten. Insgesamt mussten knapp 176.000 Unternehmen Insolvenz anmelden. Das waren 1,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Allerdings liege damit die Zahl der Firmenzusammenbrüche nach wie vor auf dem zweithöchsten Niveau der vergangenen zehn Jahre, sagte Rödl.

Für das laufende Jahr rechnen die Experten mit einem weiteren Rückgang um bis zu 9 Prozent auf rund 160.000 Firmenpleiten. In Deutschland könnte der Rückgang mit mehr als 10 Prozent sogar noch stärker ausfallen, erwarten die Experten. Das entspräche 29.000 Firmenpleiten.

Allerdings hat Deutschland auch einen gewissen Nachholbedarf. Denn trotz des stürmischen Aufschwungs vor allem in der deutschen Exportwirtschaft nahm die Zahl der Insolvenzen in Deutschland 2010 nur um 2,5 Prozent ab. Damit schnitt die Bundesrepublik nur geringfügig besser ab als der westeuropäische Durchschnitt. Zum Vergleich: In Finnland sank die Zahl der Insolvenzen um 12,4 Prozent, in Großbritannien um 11,1 Prozent und in Norwegen um 10,6 Prozent. Auch in den Niederlanden, Österreich, Schweden, Frankreich, und Spanien gingen die Pleitezahlen stärker zurück als in Deutschland.

Andere Länder schnitten allerdings auch deutlich schlechter ab als die Bundesrepublik. So nahm die Zahl der Firmenpleiten in Luxemburg und Italien sogar um über 30 Prozent zu. Nach Berechnungen von Creditreform waren 2010 insgesamt rund 1,4 Millionen Beschäftigte von Firmenpleiten betroffen, rund 30 Prozent weniger als im Vorjahr. (dapd)