Essen. Kuhmilch wird unbeliebter. Um mit Pflanzendrinks mitzuhalten, wirbt die Milchindustrie mit Klimaschutz und Gesundheitsvorteilen. Was ist dran?

  • Verbraucher kaufen aus Tierschutz- und Umweltgründen weniger Kuhmilch
  • Hafermilch, Sojamilch und Co. werden indes immer beliebter – beim Nährstoffgehalt können sie mit Kuhmilch aber nicht mithalten
  • Die Milchindustrie stemmt sich gegen das schlechte Image der Milch

Hafer, Soja, Kokos, Mandel, Reis, Erbsen – die Liste an Milchalternativen auf Pflanzenbasis scheint mittlerweile endlos. Verständlich, denn die Nachfrage ist enorm: Laut Institut der deutschen Wirtschaft (IWD) hat sich der Pro-Kopf-Absatz von Pflanzendrinks im deutschen Einzelhandel zwischen 2018 und 2022 mehr als verdoppelt. Aktuell macht der Anteil von Pflanzenmilch rund 13 Prozent des gesamten deutschen Milchmarkts aus. 

In den kommenden Jahren erwarten Experten, dass der Marktanteil weiter steigt. Gleichzeitig greifen Verbraucher seltener zur konventionellen Kuhmilch. So lag der Pro-Kopf-Verbrauch von Konsummilch 2023 bei unter 46 Kilogramm.  Zum Vergleich: 2010 waren es noch knapp 55 Kilogramm. Das teilt die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) mit – Milch wird nach der Erzeugung in Kilogramm umgerechnet, da das die Basis für die Auszahlung an die Milchbauern ist. 

>>> Fair Ändern: Mehr Texte rund um Nachhaltigkeit lesen Sie auf unserer Themenseite „Fair Ändern - so geht Nachhaltigkeit im Alltag“

Hafermilch, Sojamilch und Co.: Besser als Kuhmilch?

Die Gründe, aus denen Menschen verstärkt auf Milchalternativen setzen, sind vielfältig, wie der Ernährungsreport 2024 des Bundeslandwirtschaftsministeriums zeigt: Tierschutz, Klimaschutz, gesündere Ernährung – oder einfach nur Neugier.  

Doch die Milchindustrie schläft nicht und stemmt sich gegen die Umsatzeinbußen: 2021 antwortete sie auf die nachlassende Nachfrage nach Kuhmilch mit der „Initiative Milch“, die von deutschen Milchbauern und Molkereien getragen wird.  Ziel: „Die Bevölkerung wieder neu für das ‚Weiße Wunder‘ Milch begeistern“. 

Die Organisationen Foodwatch und Faba Konzepte werfen der Milchindustrie in einem gemeinsamen Report Verbrauchertäuschung vor. Sie versuche, Verbrauchern zu suggerieren, dass die Milchindustrie nichts mit dem Klimawandel zu tun habe oder sogar zu dessen Bekämpfung beitragen könne.  

Kühe im Stall
Kühe im Stall: Nur knapp 31 Prozent der Milchkühe kommen im Sommer auf die Weide. Der Anteil der Milchkühe, die ganzjährig auf der Weide stehen, liegt in Deutschland bei unter zehn Prozent. (Archivbild) © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Dabei sei längst belegt: Die Produktion von Milch und Milchprodukten wie Käse, Butter und Joghurt ist extrem klimaschädlich. Das bestätigen auch diverse andere Studien. Pflanzendrinks hingegen schneiden bei der Klimabilanz deutlich besser ab, so die Verbraucherzentrale NRW (VZ NRW). 

Auch interessant

Hafermilch mit besonders guter Klimabilanz

Das hat mehrere Gründe: Zum einen benötigt die Produktion von Milchalternativen weniger Fläche als die von Kuhmilch, so das Umweltbundesamt (UBA). Denn für Haferdrink und Co. müssen weder Tiere gehalten und noch extra Futter angebaut werden. Würde weniger Fläche landwirtschaftlich genutzt werden, sei das vor allem ein Gewinn für die Artenvielfalt.  

Zum anderen stoßen Pflanzen kein Methan aus – anders als Rinder. In Deutschland macht das schädliche Treibhausgas knapp 65 Prozent der direkten landwirtschaftlichen Emissionen aus, so das UBA. Davon seien 76 Prozent nahezu vollständig auf die Rinder- und Milchkuhhaltung zurückzuführen.  

Alles in allem verursachen pflanzliche Milchalternativen pro Liter nur etwa ein Viertel bis die Hälfte der Treibhausgasemissionen von Kuhmilch.  Sogar der Kokosdrink, dessen Hauptbestandteil nur in tropischen Regionen wächst und importiert werden muss, habe eine bessere Klimabilanz, so die VZ NRW. 

Kuh mit Kalb
Damit Kühe Milch geben, müssen sie – wie andere Säugetiere auch – regelmäßig Kälber gebären. Nach etwa fünf Jahren sind sie davon so ausgelaugt, dass sie geschlachtet werden. (Archivbild) © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Besonders gut schneidet die Hafermilch im Vergleich ab: Laut BLE ist der Flächenbedarf pro erzeugtem Liter Haferdrink bis zu 80 Prozent, der Energiebedarf bis zu 60 Prozent geringer als bei Kuhmilch. Außerdem stammt Hafer in der Regel aus Deutschland oder zumindest Europa, so die VZ NRW. Das spare die beim Transport anfallenden CO₂-Emissionen. 

Nur die Mandelmilch schneide unter Umständen bei der Wasserbilanz schlechter ab als Kuhmilch, denn für den Mandel-Anbau werde viel Wasser benötigt. Ähnlich sehe es auch bei Reisdrinks aus, allerdings komme es hier auf die Herkunft an: „Reis aus Europa wird in der Regel im Trockenanbau-Verfahren erzeugt und ist dadurch deutlich klimafreundlicher als asiatischer Reis.“  

Auch interessant

Klimaschutz in der Milchindustrie: Mehr Leistung auf Kosten der Kühe

Die Milchindustrie stellt sich ähnlich positiv dar. Zum Beispiel gibt sie an, die Kuh sei kein Klimakiller – das Methan aus der gesamten Tierhaltung in Deutschland mache nur circa 3,7 Prozent der Gesamtemissionen aus. Foodwatch und Faba Konzepte halten dagegen: Diese Darstellung beziehe zum Beispiel Futtermittelimporte und Emissionen aus dem Futteranbau nicht mit ein. 

Auch die bisherige Steigerung der Milchleistung stellen Vertreter der Milchindustrie als Erfolgsgeschichte für den Klimaschutz dar. Produzierten Kühe im Jahr 1950 noch etwa 2600 Kilogramm Milch pro Jahr, sind es heute durchschnittlich 8950. Diesen Weg will die Milchindustrie weitergehen. Zwar verursache ein Liter Milch aufgrund der hohen Leistung, die Kühe heute erbringen, weniger Emissionen als noch in den 50ern, so Foodwatch.  

Eine Kuh produziert heute rund 8950 Kilogramm Milch pro Jahr.
Etwa 8950 Kilogramm Rohmilch erzeugt eine Kuh pro Jahr. Das teilt der Deutsche Milchindustrieverband mit. (Archivbild, Brandenburger Landesmelkwettbewerb 2023). © FUNKE Foto Services | Maurizio Gambarini

Doch diese Bemühungen werfen neue Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf das Tierwohl. Denn würden Kühe zu noch höheren Leistungen gezüchtet, könnte das die Situation der Tiere deutlich verschlechtern, wie eine Studie der Bundestierärztekammer zeigt. Mehr Milch pro Kuh gehe einher mit Fruchtbarkeitsstörungen, hoher Krankheitsanfälligkeit und kürzerer Lebensdauer der Tiere. 

„Hochleistung ist eine Scheinlösung auf Kosten von Tieren“

Foodwatch / Faba Konzepte

Aktuell geben hochgezüchtete Kühe rund 50 Liter Milch pro Tag. Die Folge: Die Tiere sind nach fünf Jahren so ausgelaugt, dass sie geschlachtet werden, informiert der Deutsche Tierschutzbund. Dabei können sie eigentlich bis zu 20 Jahre alt werden. 

Anders als die Milchindustrie behauptet, würde eine höhere Milchleistung die Emissionen aus der Kuhhaltung aber auch nicht signifikant senken, so das UBA. Der einzige Weg, den CO₂-Ausstoß aus der Rinderhaltung zu reduzieren, sei, die Anzahl der Tiere zu senken – und mehr auf pflanzliche Produkte in der Ernährung zu setzen. 

„Beim Treibhausgaspotenzial führt eine höhere Milchleistung nur zu geringfügigen Änderungen bei den Umweltbelastungen“

Umweltbundesamt
zu noch höheren Leistungen von Milchkühen

Nährstoffe: Pflanzendrinks und Kuhmilch schwer vergleichbar

Bezogen auf pflanzliche Milchalternativen bleibt somit noch eine Frage: Wie gut ersetzen Pflanzendrinks die Kuhmilch? Das hängt ganz von der Hauptzutat ab, erklärt die VZ NRW. In einem Marktcheck kommt aber sie zu dem Schluss: Der Vitamin- und Mineralstoffgehalt von Pflanzendrinks und Kuhmilch ist kaum vergleichbar.  

Milch und Milchprodukte tragen maßgeblich zur Deckung des Calcium-, Jod, Vitamin B12- und B2-Bedarfs bei. Pflanzendrinks enthalten ohne Vitamin-Anreicherungen keine relevanten Mengen dieser Nährstoffe. Solche Anreicherungen seien aber nur bei konventionellen Pflanzendrinks, nicht aber bei Bioprodukten erlaubt. Wer Bioprodukte bevorzugt, müsse demnach darauf achten, die Nährstoffe anderweitig zu sich zu nehmen.  

Ein Pluspunkt für Pflanzendrinks sei aber ihr geringer Gehalt an gesättigten Fettsäuren. Sie enthalten zudem kein Cholesterin und liefern Ballaststoffe. Je nach Hauptzutat können Pflanzendrinks außerdem einen Beitrag zur Proteinversorgung leisten. Sojadrinks seien zum Beispiel gleichauf mit Kuhmilch, was den Proteingehalt betrifft.