Berlin. Die Fleisch- und Milchindustrie trägt erheblich zur Klimakrise bei, so eine Studie. Das gefährdet ihr Geschäft. Was heißt das für unseren Konsum?
Fleisch und Milch sind wohl deutlich klimaschädlicher als bisher angenommen. Das zeigt eine kürzlich vorgestellte Studie. Das Paradoxe: Die Tierindustrie setzt laut den Autoren ihr eigenes Geschäftsmodell aufs Spiel. Denn die Land- und Ernährungswirtschaft sei unmittelbar von den Folgen des Klimawandels betroffen. Ambitionen, das Klima zu schützen, gebe es bei den großen Schlacht- und Milchkonzernen hingegen kaum.
In der Studie hat die Umweltorganisation Germanwatch mit dem Verein Faba Konzepte und Green Legal Impact untersucht, welchen Einfluss die jeweils zehn größten Schlacht- und Milchkonzerne in Deutschland auf das Klima haben. Die Tierhaltung befeuere den Klimawandel mit 12 bis 16 Prozent der Gesamtemissionen unseres Ernährungssystems. In Deutschland trage die Tierhaltung zu knapp fünf Prozent aller Treibhausgas-Emissionen und zu rund 68 Prozent der Emissionen aus der Landwirtschaft bei.
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Tierhaltung für Milch und Fleisch verursacht enorme Emissionen
Insgesamt sollen die klimaschädlichen Emissionen der jeweils zehn umsatzstärksten Schlacht- und Milchkonzerne im Jahr 2022 etwa 61 Prozent des gesamten Pkw-Ausstoßes entsprochen haben. Deutlich höher fallen die Emissionen sogar aus, wenn Nutzflächen und Lieferketten in die Berechnung miteinbezogen würden.
Rechne man hinzu, wie viele Treibhausgase aufgrund der Tierhaltung in den Böden nicht gespeichert werden können, dann seien die Emissionen etwa anderthalbmal so hoch wie die des Pkw-Verkehrs. Laut Bundesinformationszentrum Landwirtschaft werden in Deutschland rund 60 Prozent der Felder für die Produktion von Futtermitteln und Tierhaltung verwendet.
Zu den jeweils zehn umsatzstärksten Unternehmen der untersuchten Branchen gehören unter anderem Tönnies und DMK Deutsches Milchkontor – laut Germanwatch sollen sie auch die größten Emittenten von Treibhausgasen sein. Dabei müssten gerade die großen Unternehmen für die gesamte Industrie mit gutem Beispiel vorangehen, schreiben die Autoren.
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Eine an die Konzerne gesendete Abfrage zu ihren Emissionen und Klimaschutzmaßnahmen sei in fast allen Fällen – auch auf wiederholte Nachfrage – unbeantwortet geblieben. Die Berechnungen und Annahmen basieren daher hauptsächlich auf Schätzungen.
Das wenige, was öffentlich bekannt ist, sei aber laut Autoren lange nicht ausreichend: „Die bisherigen klimabezogenen Angaben der näher betrachteten Marktführer Tönnies und DMK Deutsches Milchkontor sind trotz erster Ansätze unterm Strich ungenügend“, kritisiert etwa Konstantinos Tsilimekis von Germanwatch. „Sie sind unvollständig, intransparent und nicht kohärent.“
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Hugo Turner and Ross Turner
The Gentleman's Journal 2nd year anniversary, London, Britain - 06 Nov 2014 The Gentleman's Journal 2nd year anniversary, London, Britain - 06 Nov 2014"
Weniger Tiere, mehr Klimaschutz?
Dabei gebe es Möglichkeiten für die Industrie, CO₂ einzusparen. Am ehesten ließen die Emissionen sich senken, indem die Anzahl der Nutztiere reduziert und gleichzeitig mehr auf pflanzliche Ernährung gesetzt werde. Die Berechnungen der Autoren zeigen: Würden die Produkte der zehn größten Fleischkonzerne durch pflanzliche Alternativen ersetzt, gleichzeitig Nutzflächen aufgeforstet und Moore wiedervernässt, könnten sie rund 74 Prozent ihrer Emissionen einsparen. Bei den Milchkonzernen wären es sogar knapp 77 Prozent. Das entspräche etwa der Stilllegung jedes sechsten Pkw in Deutschland.
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Das aber sei ein Szenario, das in weiter Ferne liege: „Anhand der von uns aufgefundenen Informationen bleibt unklar, wie Tönnies allein schon mit Bezug aufs Klima bis 2030 der ‚nachhaltigste Lebensmittelproduzent Europas‘ werden will“, heißt es in der Studie. Diese Ankündigung hatte Deutschlands größter Schlachtkonzern 2023 gemacht.
Der Verband der Fleischwirtschaft weist die Kritik von Germanwatch zurück. Laut Umweltbundesamt (UBA) habe die Landwirtschaft inklusive der Tierhaltung im vergangenen Jahr sein Klimaziel übererfüllt, sagt Hauptgeschäftsführer Steffen Reiter. Im internationalen Vergleich sei die deutsche Nutztierhaltung sogar „einer der Klimaweltmeister“.
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Germanwatch hält dagegen: Einer der Gründe für die Einsparung von Emissionen in der Landwirtschaft sei nämlich rein rechnerischer Natur. So habe es 2021 bei der Berechnung der Lachgas-Emissionen eine methodische Änderung gegeben, wodurch der Ausstoß nach unten korrigiert worden sei. Die Folge: „Ambitionierte Minderungsmaßnahmen bleiben im schlechtesten Fall gänzlich auf der Strecke.“
Tatsächliche Emissionsminderungen seien nur möglich, wenn auch die Anzahl der verarbeiteten Tiere drastisch sinke – vor allem die der Rinder. Darauf hatte zuvor schon UBA-Präsident Dirk Messner hingewiesen: Ohne eine schrittweise Reduzierung der Tierzahlen und ohne einen sinkenden Konsum tierischer Produkte sei wirksamer Klimaschutz nicht möglich, hatte er im vergangenen Jahr der „Osnabrücker Zeitung“ gesagt.
Landwirtschaft ist auch ohne Tierhaltung möglich
Germanwatch fordert einen grundlegenden Kurswechsel in der Fleisch- und Milchindustrie: „Dabei stehen insbesondere die Branchenriesen in der Verantwortung, in fairer Partnerschaft mit den landwirtschaftlichen Erzeuger:innen zukunftsweisende Geschäftsmodelle zu entwickeln.“ Noch immer seien diese zu stark auf Wachstum in der Tierproduktion ausgerichtet.
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Unabhängig von den großen Konzernen können Landwirte die Ernährungsrevolution außerdem selbst in die Hand nehmen – ganz ohne Tierhaltung. Initiativen wie TransFARMation und der Förderkreis biozyklisch-veganer Anbau e.V. helfen Bauern dabei, den Sprung ins pflanzliche Zeitalter zu wagen. Auch das „Chancenprogramm Höfe“ des Bundes unterstütze seit Ende 2024 finanziell die heimische Proteinproduktion.