Essen. US-Präsident kündigt Stahl-Zölle von 25 Prozent an. Branche fordert harte Reaktion der EU. Wovor sich unsere Stahlkonzerne am meisten fürchten.

Zweite Amtszeit von Donald Trump, zweiter Handelskrieg: Der US-Präsident hat am Sonntag Strafzölle auf den Import von Stahl und Aluminium angekündigt. Wie bereits in seiner ersten Amtszeit sollen Stahl-Einfuhren mit einem Aufschlag von 25 Prozent verteuert werden, wie Trump vor Journalisten auf seinem Flug zum Superbowl in New Orleans sagte. Die Details sollen „Dienstag oder Mittwoch“ verkündet werden. Die EU-Kommission erklärte Trumps Pläne für „rechtswidrig“ und kündigte Gegenmaßnahmen an.

Branchenführer Thyssenkrupp gab sich in einer ersten Stellungnahmen gelassen, die Gewerkschaft IG Metall und der Stahlverband sind es aber nicht. Denn während vergleichsweise wenig Stahl und Aluminium direkt in die USA exportiert wird, drohen zwei indirekte Folgen, die schwerer wiegen: Zum einen dürften die noch höheren Zölle, die Trump gegen Einfuhren aus China verhängt hat, große Mengen an Billigstahl aus Fernost nach Europa umleiten. Zum anderen ist noch unklar, ob die Stahlzölle auch für bereits verarbeitete Produkte gelten sollen und wenn ja, für welche. Das könnte vor allem Autozulieferer und andere mittelständische Metall-Unternehmen treffen.

Thyssenkrupp: Stahl-Exporte in die USA gering

Thyssenkrupp, Deutschlands größter Stahlproduzent, betonte auf Anfrage unserer Redaktion, die von Trump angekündigten Zölle würden „nach jetzigem Kenntnisstand nur einen sehr begrenzten Einfluss“ auf die Geschäfte des Essener Konzerns haben. Denn „der Export an Stahlprodukten von Thyssenkrupp Steel Europe in die USA ist vernachlässigbar gering“, heißt es. Die Duisburger Stahltochter des MDax-Konzerns verkauft den größten Teil ihrer Produkte innerhalb Europas. Von den zuletzt jährlich produzierten 37 Millionen Tonnen Stahl aller deutschen Hersteller ging nur rund eine Million in die USA.

Aus Duisburg wird nur wenig Stahl von Thyssenkrupp in die USA exportiert. Die Branche befürchtet dennoch negative Folgen von Trumps angekündigten Strafzöllen.
Aus Duisburg wird nur wenig Stahl von Thyssenkrupp in die USA exportiert. Die Branche befürchtet dennoch negative Folgen von Trumps angekündigten Strafzöllen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Was Thyssenkrupp in die USA exportiert, sind vor allem hochverarbeitete Produkte aus seinem Autozuliefergeschäft, „mit guter Marktposition“, wie der Konzern betont. Soll heißen: Autobauer in den USA, die sie beziehen, könnten sie nur schwer oder gar nicht ersetzen, müssten demnach entweder die Zollkosten selbst tragen oder weltweit nach Alternativen suchen. Hier kommt es auf die Details wie mögliche Ausnahmen für bestimmte Produkte an, doch die sind noch nicht bekannt. Deshalb betont Thyssenkrupp, die genauen Auswirkungen erst abschätzen zu können, „wenn die konkreten Zölle in Kraft getreten und auch mögliche Gegenmaßnahmen der EU bekannt sind“.

Wie die großen deutschen Autohersteller und große Zulieferer produziert auch Thyssenkrupp Komponenten für die US-Industrie selbst in den Vereinigten Staaten. Das schützt natürlich vor Zöllen. Allerdings haben sie auch in Mexiko und Kanada viele Produktionsstandorte, von denen Autos und Teile in die USA geliefert werden. Trump hatte gegen die beiden Nachbarstaaten ebenfalls Zölle von 25 Prozent erlassen, wegen laufender Verhandlungen aber bis Anfang März ausgesetzt. Treten sie in Kraft, treffen sie auch viele deutsche Unternehmen mit Standorten in Nord- und Mittelamerika.

IG Metall warnt vor noch mehr Billigstahl aus China

Die IG Metall ist beim Thema US-Zölle ganz und gar nicht gelassen. Dies mit Blick auf den Stahl weniger wegen der Zölle auf Einfuhren aus Deutschland, sondern wegen der in der vergangenen Woche bereits in Kraft getretenen Zollerhöhung auf chinesische Importe um zehn Prozentpunkte. Seitdem fallen auf chinesischen Stahl in den USA 35 Prozent Zoll an. Dadurch werde „noch mehr Billigstahl aus Asien nach Europa kommen“, sagte Knut Giesler, NRW-Chef der Gewerkschaft und Vize-Aufsichtsratschef bei Thyssenkrupp Steel, unserer Redaktion. In Kombination mit US-Zöllen auf deutschen Stahl werde das „unsere Stahlindustrie erheblich unter Druck setzen“.

Sehr präsent ist bei Gewerkschaften und Unternehmen noch die erste Runde in Trumps Zollkonflikt mit China aus 2018. Seinerzeit drehten chinesische Frachtschiffe mit Stahl an Bord auf ihrem Weg nach Amerika auf dem Atlantik um und steuerten europäische Häfen an. Die ohnehin hohen Stahl-Überkapazitäten auf dem europäischen Markt stiegen weiter, drückten die Preise und setzten die heimische Stahlindustrie enorm unter Druck.

Thyssenkrupp, Salzgitter und Saarstahl leiden unter Krise der Autoindustrie

Diese Gefahr sieht die Wirtschaftsvereinigung Stahl (WVS) nun wieder: „Denn die Zölle auf Stahl, die von den USA angekündigt sind, werden zu Mengenumleitungen nach Europa führen, wodurch der ohnehin bestehende Importdruck durch Überkapazitäten aus China weiter verstärkt wird“, warnt Präsident Gunnar Groebler. Das Potenzial für Marktverwerfungen ist aktuell großer denn je: China exportierte zuletzt rund 100 Millionen Tonnen Stahl im Jahr, das ist dreimal so viel wie in Deutschland insgesamt hergestellt wird.

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Am Abgrund – Die Thyssenkrupp-Story

Aktuell leiden die großen Stahlhersteller vor allem unter der Krise der deutschen Autoindustrie, an die etwa Thyssenkrupp mehr als die Hälfte seines Stahls verkauft. Der Branchenführer will sich durch Stellenstreichungen und Ausgliederungen von 11.000 seiner 27.000 Beschäftigten trennen. Die Krise trifft auch Salzgitter, Saarstahl und die deutschen Werke von Arcelor Mittal hart. Die Georgsmarienhütte sieht sich gar kurz vor dem Abgrund. „Jeden Tag gehen wir da näher hin“, sagte Miteigentümerin Anne-Marie Großmann jüngst vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV) in Düsseldorf.

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Gewerkschaften, Unternehmen und Verbände fordern nun eine harte Antwort aus Brüssel an Trump. Dessen Zoll-Ankündigung treffe „die Stahlindustrie in Deutschland und in der Europäischen Union in mehrfacher Hinsicht - und zur Unzeit“, sagte Stahl-Präsident Groebler. Die EU müsse ihre Schutzmaßnahmen rasch und konsequent anpassen. Das forderte jüngst auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD). Machen wir das nicht, ist europäischer Stahl schnell Geschichte“, sagte sie im Interview mit unserer Redaktion.

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Eine erste Reaktion der von Ursula von der Leyen geführten EU-Kommission auf Trumps Pläne kam am Montag prompt: . „Die EU sieht keine Rechtfertigung für die Verhängung von Zöllen auf ihre Exporte“, teilte die für die Handelspolitik zuständige Kommission in Brüssel mit. Sie halte die Zölle auch für rechtswidrig und kündigte an: „Wir werden handeln, um die Interessen europäischer Unternehmen, Arbeitnehmer und Verbraucher vor ungerechtfertigten Maßnahmen zu schützen.“

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2018 reagierte die EU auf Trumps-Strafzölle gegen Stahl und Aluminium mit Gegenzöllen auf US-amerikanische Jeans, Whiskey und Motorräder von Harley Davidson. Das wirkte, zunächst gestand man sich gegenseitig Freikontingente zu, nach der Wahl Bidens 2021 wurde dieser Handelskonflikt vorerst beigelegt. Nun hat mit der Wiederwahl Trumps die Neuauflage begonnen.