Essen. Die Zementproduktion belastet das Klima enorm. Innovative Recyclingmethoden könnten die Branche revolutionieren. Einfach ist das aber nicht.
Ohne Zement geht in der Baubranche nichts. Der Baustoff ist ein wichtiger Bestandteil von Beton und kommt auf jeder Baustelle zum Einsatz. Nach Angaben des Vereins Deutscher Zementwerke (VDZ) hat Deutschland im vergangenen Jahr etwa 30 Millionen Tonnen Zement produziert. Das Problem: Beim Herstellungsprozess wird enorm viel CO₂ ausgestoßen.
Insgesamt ist die Zementbranche für bis zu acht Prozent der jährlich ausgestoßenen Treibhausgase weltweit verantwortlich – das ist mehr, als jährlich in der Luftfahrt anfällt. Da stellt sich die Frage: Geht das nicht auch umweltschonender?
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Baubranche: Zement ist nicht 1:1 ersetzbar
Mit der Frage beschäftigen sich Industrie und Universität. Vor allem in NRW ist das Thema präsent: Aufgrund des hohen Kalksteinvorkommens – ein wichtiger Bestandteil von Zement – gibt es in der Region entsprechend viele Zementwerke. Das Problem: Zement ist (noch) nicht 1:1 ersetzbar.
Das liegt an der einzigartigen Konsistenz, die nur schwer zu replizieren – für die Festigkeit und Dauerhaftigkeit von Beton aber essenziell ist. Statt auf Ersatzmaterialien fokussiert sich die Forschung daher auf Ansätze für hochwertiges Zementrecycling.
„Es muss einfach alles stimmen“, erklärt Alina Zdankina. Sie promoviert aktuell an der Uni Duisburg-Essen am Institut für Baubetrieb und Baumanagement (IBB). Gemeinsam mit dem Institut für Materialwissenschaft und der TU Bergakademie Freiberg forscht sie an einer besonderen Recyclingmethode: „UpCement“.
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Zement-Recycling: Wie funktioniert UpCement?
Die Grundidee: Zement in einem chemischen Prozess von Altbeton trennen und anschließend reaktivieren. Dabei werden die besonderen Eigenschaften von Zement beibehalten und gleichzeitig der CO₂-Ausstoß verringert. Die Methode knüpft an das aktuelle Verfahren für Betonrecycling an.
Bisher wird Altbeton gebrochen und die dabei entstehende Gesteinskörnung kann ohne weiteres für Recycling-Beton verwendet werden. Der Haken: Die Nachfrage nach recyceltem Beton ist verschwindend gering, außerdem wird für die Herstellung wieder neuer Zement benötigt. CO₂ wird also nicht eingespart. Für den Klimaschutz ist das aber dringend nötig: Pro Tonne Zement werden laut VDZ etwa 590 Kilogramm CO₂ emittiert. In Deutschland summieren sich die Emissionen laut Branchenangaben auf rund 20 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Das sind rund drei Prozent der Gesamtemissionen, die sich 2023 auf auf 674 Millionen Tonnen CO2 beliefen, so das Umweltbundesamt.
Statt also beim Brechen des Betons aufzuhören, geht UpCement mit der Abtrennung von Zement noch einen Schritt weiter. Das Recycling soll außerdem direkt vor Ort auf Baustellen passieren. Damit sollen lange Transportwege gemieden werden, denn die Kosten für Zementtransport sind extrem hoch.
Wie wirtschaftlich ist das Recyceln von Zement?
In der Theorie klingt das gut. Aber lohnt sich Zementrecycling auch wirtschaftlich? Mit der Frage beschäftigt sich Alina Zdankina. Sie forscht an der Markttauglichkeit von UpCement für Deutschland. Dafür untersucht sie Eintrittsbarrieren, Standortbedingungen und Umsatzpotenzial.
„Es ist nicht leicht, in den Zementmarkt einzusteigen“, erklärt die Doktorandin. Insgesamt gebe es vier oder fünf große Unternehmen, die den Markt beherrschen und auch international agieren. Dass aktuell geltende Regulierungen kaum Innovation zuließen, die Energiekosten hoch seien und die Nachfrage nach Baustoffen insgesamt gesunken sei, komme noch dazu.
Einige größere Unternehmen, zum Beispiel HeidelbergCement und Schwenk, beschäftigen sich bereits mit möglichen Recyclingmethoden – seien sogar „schon viel weiter“ als die Forschung. Trotzdem gebe es immer noch Lücken, die es zu schließen gilt. „Die Forschung an Recycling- und Aufbereitungstechnologien ist wichtig und notwendig, um irgendwann die Ziele der Kreislaufwirtschaft zu erfüllen.“
Der größte Nachteil von UpCement sind die Kosten. Zwar werden durch die mobile Recyclingstation Kosten für Transporte gespart, die technischen Anforderungen sorgen aber dafür, dass gleichzeitig neue entstehen. Der Einsatz lohne sich daher vor allem in Städten, da hier viel Altbeton anfällt.
Hochwertiges Recycling gibt es nicht zum Spartarif
Dafür sei es wichtig, im Voraus genau zu untersuchen, wie viel Recyclingpotenzial in einem Gebäude steckt. Vorausschauende Planung könne das Konzept erst wirtschaftlich machen. Dazu kommt, dass am Ende beinahe neuwertiger Zement entsteht, dessen Einsatzmöglichkeiten deutlich höher sind als die des aktuellen Recycling-Betons. Und Fakt ist auch: Hochwertiges Recycling gibt es – zumindest vorerst – nicht zum Spartarif.
„Auch die besten Technologien müssen sich Unternehmen leisten können, damit sie angewendet werden können.“
Das stellt vor allem kleinere Unternehmen vor Herausforderungen: Akteure der Zementbranche müssen für jede Tonne emittiertes CO₂ Zertifikate erwerben, was die Produktionskosten erhöht – letzten Endes aber nicht zu CO₂-Reduktion beiträgt. Finanzielle Mittel für Investitionen in klimaschonende Maßnahmen bleiben nicht.
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