Duisburg/Essen/Bochum. Thyssenkrupp: Bundeskanzler Scholz informiert sich beim Konzernbetriebsratschef über die Lage und spricht in Bochum öffentlich darüber.

Die angespannte Situation bei Thyssenkrupp ruft Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf den Plan. Beim Festakt zum 125. Geburtstag der Emschergenossenschaft am Donnerstag und Bochum sagte er: „Für mich ist klar, dass Stahl hier produziert und verarbeitet werden muss.“ Er werde weiter mit dem Stahlunternehmen und der Gewerkschaft daran arbeiten, diese Produktion zu sichern, versprach Scholz. Der Staat beteilige sich an der Transformation, etwa bei Thyssenkrupp, „und das ist verbunden mit der Erwartung, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben müssen.“

Alle Produktionsschritte in Deutschland zu sichern, sei auch eine Frage der „strategischen Souveränität“. Die Produktion dürfe daher nicht immer kleiner werden, sagte Scholz. Stahl stehe als Grundstoff am Anfang vieler industrieller Wertschöpfungsketten, sei nicht nur wichtig für Landesverteidigung und Automobilindustrie.

Dabei setze er sich für einen „pragmatischen Kurs“ ein: „Wir folgen in Sachen Klimaschutz keinen wirklichkeitsfernen Wunschvorstellungen“, stellte er klar. Die Maxime müsse sein: „Weniger Konzentration auf das Ideal, mehr Fokus auf das Nötige und Machbare.“ Auch dem Klima sei nicht geholfen, „wenn wir in Deutschland und Europa so viel regulieren und vorschreiben, dass die energieintensive Industrie an Orte mit geringeren Umweltstandards abwandert.“ 

Telefonat mit Konzernbetriebsratschef Tekin Nasikkol

Der Bundeskanzler hatte sich in einem Telefonat mit Konzernbetriebsratschef Tekin Nasikkol über die aktuelle Lage des Unternehmens informiert, wie ein Regierungssprecher auf Anfrage unserer Redaktion am Mittwocabend bestätigte. Über Details des vertraulichen Gesprächs wollte er keine Auskunft geben. „Die Bundesregierung wird die Lage weiterhin aufmerksam beobachten und bleibt im stetigen Austausch mit den Beteiligten“, erklärte der Regierungssprecher mit Blick auf Thyssenkrupp.

Das Ziel der Bundesregierung bleibe, „die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu stärken und gleichzeitig die Transformation hin zur Klimaneutralität weiter voranzubringen“. Auch deshalb halte die Bundesregierung an der Unterstützung einer klimaschonenden Stahlproduktion in Deutschland fest. „Die Neustrukturierung durch den angekündigten Stellenabbau bei Thyssenkrupp ist eine Unternehmensentscheidung, die von der Entscheidung der Bundesregierung zur nachhaltigen Förderung klimaschonender Stahlproduktion zu trennen ist.“

Thyssenkrupp will 11.000 Stahl-Jobs abbauen oder abgeben

Durch Veränderungen im Produktionsnetzwerk und „eine deutliche Straffung der Verwaltungen“ will der Stahlkonzern eigenen Angaben zufolge bis zum Jahr 2030 etwa 5000 Arbeitsplätze abbauen. Außerdem will sich Thyssenkrupp Steel von weiteren rund 6000 Arbeitsplätzen durch Ausgliederungen auf externe Dienstleister oder Firmenverkäufe trennen.

Olaf Scholz, hier im September 2021 wenige Tage vor der Bundestagswahl, im Gespräch mit Konzernbetriebsratschef Tekin Nasikkol (links) am Stahlstandort Duisburg.
Olaf Scholz, hier im September 2021 wenige Tage vor der Bundestagswahl, im Gespräch mit Konzernbetriebsratschef Tekin Nasikkol (links) am Stahlstandort Duisburg. © AFP | Ina Fassbender

Die IG Metall und der Thyssenkrupp-Betriebsrat kündigten Widerstand gegen die Pläne an. „In Summe sind die Pläne des Vorstands eine Riesenprovokation, ein Generalangriff auf den größten deutschen Stahlproduzenten“, sagte Konzernbetriebsratschef Tekin Nasikkol im Gespräch mit unserer Redaktion.

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