Berlin. Der Fachkräftemangel stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Eine exklusive Studie schlägt jetzt eine ungewöhnliche Lösung vor.

Angesichts des Fachkräftemangels steht Deutschland vor einer zentralen Herausforderung: Wie können Unternehmen die knappen Ressourcen auf dem Arbeitsmarkt besser nutzen? Eine neue Studie, die dieser Redaktion exklusiv vorliegt, zeigt, dass die Lösung in flexibleren Arbeitszeiten liegen könnte – und dass Teilzeitarbeit dabei eine Schlüsselrolle spielen kann.

Etwa 30 Prozent der Beschäftigten in Deutschland arbeiten in Teilzeit. Das geht aus der Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und des Jobportals meinestadt.de hervor. Frauen machen demnach mit 81 Prozent der Teilzeitkräfte den weitaus größeren Anteil aus.

Zwei Mechaniker begutachten ein Auto
Flexible Arbeitszeiten und Teilzeitmodelle können Unternehmen für Fachkräfte attraktiver machen. © iStock | SimonSkafar

Was auffällt: Die Gründe für Teilzeit sind höchst unterschiedlich – und durchaus geschlechtsspezifisch: Frauen arbeiteten vor allem aufgrund von Kinderbetreuung in Teilzeit (38,4 Prozent), während für Männer auch die Lebensqualität und mehr Zeit für eigene Interessen wichtig ist (31,2 Prozent). Weitere Gründe für Teilzeit seien Erschöpfung (bei Frauen 10,2 Prozent, bei Männern 11 Prozent) oder gesundheitliche Einschränkungen (bei Frauen 9,8 Prozent, bei Männern 22,1 Prozent).

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„Die Zahlen haben mich nicht überrascht“, sagt Geschlechter- und Familiensoziologin Johanna Possinger von der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. „Es ist nicht verwunderlich, dass sich auch bei dieser Erhebung zeigt, dass vorrangig die Frauen beruflich zurückstecken.“ Zwar hätten viele Eltern den Wunsch, die Kinderbetreuung gleichberechtigt aufzuteilen. „De facto haben wir aber nach wie vor eine sehr traditionelle Arbeitsteilung.“

Teilzeitarbeit: Wann arbeiten in Vollzeit denkbar wäre

Laut der Studie, die 3.052 Fachkräfte befragte, wären viele Teilzeitkräfte bereit, mehr zu arbeiten – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice-Möglichkeiten seien dabei entscheidend. So gaben 41,9 Prozent der Befragten mit Betreuungsaufgaben an, dass sie zur Vollzeit wechseln würden, wenn sie mehr Möglichkeiten hätten, im Homeoffice zu arbeiten. 30,5 Prozent wünschten sich flexiblere Arbeitszeiten, während 19,1 Prozent zuverlässigere Betreuungsangebote als wichtige Voraussetzung nannten.

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Für Studienautorin Sibylle Stippler sind Teilzeitmöglichkeiten damit ein wichtiger Schlüssel zur Lösung des Fachkräftemangels. „Unternehmen, die Teilzeit aktiv anbieten, sichern sich nicht nur einen Vorteil bei der Rekrutierung, sondern stärken auch die Bindung ihrer qualifizierten Mitarbeiter“, sagt Stippler. „Zumal Unternehmen mit den richtigen Rahmenbedingungen Teilzeitkräfte perspektivisch für Vollzeit motivieren können.“

Wie Vorurteile die Entscheidung zur Teilzeit beeinflussen

Gleichzeitig sei es für Unternehmen ratsam, mehr Teilzeitstellen anzubieten, um den Kreis potenzieller Kandidaten zu erweitern. Dafür müssten jedoch Vorurteile überwunden werden. Laut der Studie glauben 56,8 Prozent der Befragten, dass es für Frauen einfacher sei, auf Teilzeit zu reduzieren. 64,4 Prozent sind der Meinung, dass Frauen lieber in Teilzeit arbeiten – im Handwerk und Bauwesen glaubten dies sogar fast 70 Prozent. Gerade in dieser Branche habe nur ein Drittel der Befragten positive Teilzeitvorbilder. Zusätzlich sagte über die Hälfte (56,8 Prozent) der Befragten, dass Männer in Teilzeit beruflich weniger akzeptiert werden als Frauen. Diese geschlechtsspezifischen Stereotype könnten Männer davon abhalten, in Teilzeit zu arbeiten.

Soziologin Johanna Possinger von der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg.
Soziologin Johanna Possinger von der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. © Unbekannt | Privat

Bei der Familiengründung sahen knapp 29 Prozent der Befragten vor allem die Person mit dem geringeren Einkommen in Teilzeit. Da Frauen oft weniger verdienen, tragen sie meist die Hauptlast der Kinderbetreuung. Eine Lösung wäre es laut Studie, dass beide Partner ihre Arbeitszeit reduzieren. Dann wären beide stärker in das Familienleben eingebunden – und durch die Reduzierung bei einem Partner könne der andere die Stunden erhöhen. So könne die Gesamtarbeitszeit von zwei Teilzeitkräften höher sein, als wenn einer in Vollzeit und der andere in Teilzeit arbeite.

„Würden beide Elternteile reduzieren, aber eben weniger Stunden, sprich vollzeitnah weiterarbeiten, hätte das ein großes Potenzial für die Wirtschaft, aber auch für die Zufriedenheit von Eltern“, sagt Johanna Possinger. Denn vielfach zeige sich: „Mütter würden gerne mehr arbeiten und die Väter würden eigentlich gerne weniger arbeiten.“ Zudem mache es dieses Modell leichter, später wieder auf Vollzeit aufzustocken.

Zusätzlich müsse man sich einen weiteren Faktor in Erinnerung rufen, betont Possinger: „Wir haben super ausgebildete Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Frauen haben im Schnitt die höheren Bildungsabschlüsse, haben bessere Noten.“ Dass durch die beschriebene Geschlechterungerechtigkeit immer noch primär Frauen in Teilzeitjobs landen, sei daher volkswirtschaftlich völlig unsinnig. Das wertvolle Humankapital der Frauen wird so laut Possinger einfach verschwendet.