Weeze. Das Festival in Weeze gehört zu den größten im Land. Dahinter stehen drei Freunde und eine Firma, von der die ganze Region profitiert.
Am Anfang steht eine Idee, wie Freunde sie eben so haben. „Wir wollten eine Party organisieren, auf die wir auch selber gehen würden“, sagt Bernd Dicks rundheraus. Mehr als ein Jahrzehnt ist das her. Heute führt der 41-Jährige mit seinen zwei Geschäftspartnern eine mittelständische Unternehmensgruppe, die die Bevölkerungszahl ihres 11.000-Seelen Heimatorts Weeze für ein Wochenende im Jahr versiebenfacht, der Region Aufträge in Millionenhöhe beschert – und den beschaulichen Niederrhein auf der Landkarte von Fans elektronischer Musik verankert hat.
Willkommen in Parookaville.
Parookaville, das weiß vielleicht jeder, ist ein Festival. Nicht irgendeines. Es gehört im neunten Jahr seines Bestehens zu den fünf besucherstärksten und größten Festivals Deutschlands. An den drei Tagen kommen je rund 75.000 Menschen auf das Gelände des ehemaligen Militärflughafens in Weeze, um zu der Musik von rund 300 DJs vor aufwändig gestalteten Bühnen zu tanzen. In einer Branche, die erst unter der Pandemie litt und nun Inflation und Arbeitskräftemangel zu stemmen hat, gilt Parookaville als eine Erfolgsgeschichte. Wie ist das gelungen?
Die Geschichte beginnt in einem Neubauviertel in Weeze. In zwei schicken Bürogebäuden mit viel Beton, Holzoptik und Glas sitzt „Next Events“. 54 Menschen arbeiten bei der Gruppe, zu der neben der Parookaville GmbH auch eine Kreativ- und Künstleragentur gehören, ein zweites Festival und eine Großraumküche mit Grill auf dem Balkon. Man duzt sich.
Bernd Dicks, weißes T-Shirt, kurze schwarze Hose und Turnschuhe steht in einem der weiß gestrichenen Büros vor einer riesigen Karte. Sie zeigt das gesamte Festival-Areal von rund 850.000 Quadratmetern – maßstabsgetreu. „Wir haben von Anfang an gesagt, wenn wir so etwas machen, dann machen wir es richtig“, so Dicks. Jeder einzelne Platz für 50.000 Camper, jede Wasserleitung, jede Bühne sei genau eingezeichnet. Monatelang werde daran gearbeitet, Mitarbeiter erfassten jedes Toilettenhäuschen mit GPS-Daten. „Wir überlassen nichts dem Zufall.“
„Wir sind ein Weezer Unternehmen mit Weezer Geschäftsführern. Für uns ergibt es überhaupt keinen Sinn, für zwei Euro den günstigeren Unternehmer von irgendwoher zu beauftragen, wenn hier vor Ort Firmen sind, die wir kennen. “
So war das von Anfang an. Als Dicks und seine Freunde Norbert Bergers und Georg van Wickeren 2011 ihre erste Veranstaltung planten, fingen sie nicht ganz bei null an. Dicks hatte als Journalist fürs Radio Elektro-Festivals besucht und er wusste, dass es in Deutschland wenig Gleichwertiges gab. Es gab Raves, ja, aber die hatten einen gewissen Ruf, und dann kam die Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten und danach erst einmal nichts mehr.
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Bergers und van Wickeren kannten eine andere Seite: Als Entwickler für Einzelhandelsimmobilien waren sie mit Brandschutz, Statik und Behördengängen vertraut. Gemeinsam konzipierten die Drei in ihrem Heimatort Weeze eine Strandparty mit zwei Bühnen, bald 5000 Besuchern und gebuchten Künstlern. 350.000 Euro Gewinn erwirtschafteten sie nach vier Jahren, dann bot sich die Chance, mit neuem Konzept auf den Ex-Militärflughafen zu ziehen.
Das erste Festival war für 15.000 Menschen angedacht: Es kamen 25.000
„Uns fehlten 100.000 Euro“, erinnert sich Dicks. „Kurz vor Weihnachten hatten wir den ersten Künstler unter Vertrag genommen und dann kam die Absage der Bank.“ Am Ende habe er einen Privatkredit aufgenommen, ein Freund habe dem Trio einen zweiten gegeben. So starteten sie Parookaville mit einem Kapital von knapp 450.000 Euro. Angedacht war das erste Festival 2015 für 15.000 Besucherinnen und Besucher. Es wurden 25.000 Tickets verkauft.
In der Pandemie fiel das Festival zweimal aus, die hohe Inflation und fehlendes Personal belasten die gesamte Branche seitdem. Vor allem kleinere Festivals kämpfen. Fans von Parookaville, das am 19. Juli wieder beginnt, sind indes bereit, bis zu 249 Euro für das Wochenend-Ticket zu zahlen. Das Festival ist ausverkauft. Einen Grund hört man immer wieder: die Geschichte drumherum.
Seepferdchen im Pool, Hochzeit auf dem Festival
Am Eingang des früheren Militärflughafens hat Bernd Dicks den Motor des kleinen schwarzen Geländewagens kaum gestartet, da vibriert schon der ganze Körper. Einen Moment überlegt man noch, ob es in dem türenlosen Kleinfahrzeug nicht besser gewesen wären sich anzuschnallen, da setzt der 41-Jährige schon zurück und beginnt eine Stadtrundfahrt.
Denn das soll Parookaville sein: eine Stadt mit Erlebnischarakter. „Das Festival selbst ist der Headliner“, sagt Dicks. Der Star also. Auf dem weitläufigen Gelände sieht man wenige Tage vor Beginn nicht nur in die Höhe reckende Traversen der Bühnen und überall abgestellte Bauteile, die einem ein Gefühl für die immense Logistik hinter diesem Festival geben. Man sieht auch eine Stadt im Werden: Der Eingang ist eine Passbehörde, Stempel bekommt man fürs Seepferdchen in einem der größten mobilen Pools Deutschlands oder fürs Abgeben von Fundstücken im stadteigenen Rathaus.
Dicks hält den Geländewagen direkt an diesem kuppelartigen Fundbüro an. Eine Statur aus Metall steht davor: Bill heißt der fiktive Bürgermeister, vor dem Festivalbesucher auch schon mal niedergekniet haben sollen.
Parookaville hat rund 30 Partnerfirmen ins Boot geholt. Jägermeister hat die weltgrößte Flasche als begehbare Disco nach Weeze geschickt, Warsteiner organisiert eine echte Hochzeit in der festivaleigenen Kirche und die Spirituosenmarke Asbach Uralt betreibt das „Ur-Altersheim“. Und doch ist die gesamte Unternehmung regional geprägt: Aufträge im Umfang von rund fünf Millionen Euro vergibt Parookaville nach eigenen Angaben an rund 40 Firmen vor Ort, vom Flughafen-Hotel bis zum Sanitär-Installateur, der seit Wochen Wasserleitungen auf dem Gelände verlegt.
„Wir sind ein Weezer Unternehmen mit Weezer Geschäftsführern“, betont Dicks. „Für uns ergibt es überhaupt keinen Sinn, für zwei Euro den günstigeren Unternehmer von irgendwoher zu beauftragen, wenn hier vor Ort Firmen sind, die wir kennen.“
Festivalbesucherinnen und Besucher lassen rund fünf Millionen Euro vor Ort
Besucherinnen und Besucher lassen den Berechnungen des Festivalteams zufolge bis zu fünf Millionen Euro vor Ort, wenn sie tanken, zum lokalen Bäcker gehen oder in die Apotheke. Obendrauf kommen die bis zu 7000 Menschen, die an Festivaltagen auf dem Gelände arbeiten. Bleiben noch Steuereinnahmen: Eine Veranstaltung der Größenordnung von Parookaville habe einen Jahresumsatz von 25 bis 35 Millionen Euro, sagt Dicks, ohne sich allzu sehr in die Karten blicken zu lassen. Zahlen wie diese helfen sicher an Tagen, an denen Anwohner sich über Verkehr und Lautstärke ärgern.
Gab es je die Sorge, zu schnell zu groß zu werden? Der Weezer wägt ab, bevor er den Geländewagen wieder startet. Größer könne Parookaville kaum werden. „Wir hätten die Fläche, aber unsere limitierenden Faktoren sind Verkehr und Logistik.“ Die meisten Besucherinnen und Besucher kämen mit dem Auto – da hemmen die Landstraßen. Next Events hat deshalb „San Hejmo“ als zweites Festival ins Leben gerufen, das eine andere Musikrichtung bedient.
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Zum Abschluss fährt der Parookaville-Chef vorbei an akkurat abgesteckten Camping-Plätzen auf einen riesigen Aufbau aus weißer Zeltplane zu. Hier verbirgt sich der größte Penny-Markt Deutschlands: Mehr als 2000 Quadratmeter groß ist die Pop-up-Filiale, die fürs Festival Nahversorger für die Besucherinnen und Besucher ist. Über die Kassen können an einem Parookaville-Wochenende schon mal eine halbe Million Bierdosen, über 100.000 Wasserflaschen oder mehrere Zehntausend Brötchen gehen.
Dicks will all das zeigen, kommt aber zunächst gar nicht ins Innere. Ein Mitarbeiter hält ihn an, um ihm zu erklären, wie durcheinander die Paletten mit Bier, Zahnpasta und Ravioli angeliefert worden seien. Er habe alles erst mal sortiert, sagt der Mann fest, will mehr erklären - und Dicks hält inne und nimmt sich Zeit. „Der macht eben seinen Job“, sagt der Firmenchef später im Geländewagen und zuckt lächelnd mit den Achseln.
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