Essen. Lichtinstallation an der Eon-Zentrale als Bekenntnis zu Vielfalt und Demokratie. Gegendemonstration: Mehr Personal soll Kraftwerk sichern

Das erwartete Chaos rund um den AfD-Parteitag am Wochenende in der Essener Grugahalle wird auch die im Umfeld ansässigen Unternehmen beeinträchtigen. Einige von ihnen wollen aus der Not eine Tugend machen und ein Zeichen gegen Rechts setzen. Für ein Kraftwerk in Rüttenscheid wird die Sicherheit hochgefahren. Das Gelände ist Fluchtweg für Gegendemonstranten.

Zehntausende Protestierer, Hundertschaften von Polizei und 45 gesperrte Straßen – rund um die Essener Messe und in Rüttenscheid wird ab Freitag mit erheblichen Verkehrsbehinderungen gerechnet. Mittendrin liegen die Zentralen mehrerer großer Unternehmen. Durch die Sperrung der Alfredstraße und der Norbertstraße werden Eon, Brenntag, Hochtief und Ista nur schwer erreichbar sein.

Eon plant Lichtinstallation an der Konzernzentrale in Essen

Der Energieriese Eon bereitet sich seit Wochen auf die Ausnahmesituation vor. „Wir empfehlen unseren Mitarbeitenden am Brüsseler Platz dringend, am Freitag die Möglichkeit des mobilen Arbeitens zu nutzen“, sagt Sprecher Christian Drepper. Und Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland habe man dringend davon abgeraten, zum Ende der Woche hin nach Essen zu kommen und in der Hauptverwaltung Konferenzen zu planen.

Als Dax-Konzern will Eon aber auch politisch „Flagge für Europa, Freiheit, Menschenwürde und Demokratie“ zeigen. Ab Freitagabend soll eine große Lichtinstallation an dem markanten Gebäude erleuchten. Die Botschaft, die das Unternehmen noch unter Verschluss hält, wird auch gut von der Grugahalle schräg gegenüber zu sehen sein, wo die AfD-Delegierten Samstag und Sonntag tagen. Der Bundesparteitag ist für Eon aber nicht der einzige Anlass, sich Wort zu melden. Den 30. Juni, also Sonntag, haben die Vereinten Nationen zum Internationalen Tag des Parlamentarismus ausgerufen.

Brenntag: Beschäftigte zwei Tage im Homeoffice

Brenntag, der zweite Dax-Konzern nahe der Messe Essen, schickt seine Mitarbeitenden aus Vorsicht gleich am Donnerstag und Freitag ins Homeoffice. Im Vorfeld habe die Polizei den weltgrößten Chemikalienhändler über die zu erwartenden Verkehrsbeschränkungen informiert, sagt Sprecher Robert Reitze. „Brenntag spricht sich gegen Populismus und Extremismus, Ausgrenzung und Hass aus, denn sie spalten die Gesellschaft und gefährden die freiheitlich demokratische Grundordnung“, erklärt er und verweist darauf, dass im Konzern weltweit mehr als 17.700 Menschen aus 111 Nationen arbeiten. Reitze: „Gemeinsam stehen wir für Vielfalt, Gleichberechtigung, Toleranz und Respekt.“

Homeoffice ist am Freitag auch für die Beschäftigten des Baukonzerns Hochtief angesagt, die in der Zentrale an der gesperrten Alfredstraße in Essen arbeiten. Für diese Regelung hat sich auch der Energiedienstleister Ista entschieden.Damit entlasten wir auch die Sicherheitskräfte von nicht unbedingt notwendigen Zufahrtskontrollen“, sagt Ista-Sprecherin Caren Altpeter auf Anfrage.

Sicherheitsleute von Kötter verstärkt im Einsatz

Alle Hände voll zu tun hat in den nächsten Tagen der Essener Sicherheitsdienstleister Kötter, der Unternehmen und Objekte schützt. Man sei am Wochenende „mit personeller Verstärkung bei Bestandskunden unterschiedlicher Branchen im Einsatz“, sagt Sprecherin Anna Garn. Die Polizei rechnet damit, dass sich unter die Anti-AfD-Demonstranten auch mehrere Hundert gewaltbereite Störer mischen könnten.

Mitten im Getümmel an der gesperrten Rüttenscheider Straße liegt auch die Zentrale des Energiekonzerns Steag und seiner Tochtergesellschaft Iqony. In beiden Unternehmen geht man davon aus, dass die Beschäftigten am Freitag von der Möglichkeit, mobil zu arbeiten, Gebrauch machen werden.

Iqony-Fernwärmekraftwerk in Rüttenscheid gilt als Fluchtweg

Ganz anders ist die Lage freilich am Fernwärmekraftwerk Walpurgisstraße, das ganz in der Nähe des zentralen Platzes für die Gegendemonstration liegt. Nach Angaben von Pressesprecher Daniel Mühlenfeld stellt Iqony das Gelände als „optionalen Fluchtweg“ für Demonstranten zur Verfügung. Deshalb werde im Kraftwerk am Samstag „in doppelt besetzten Schichten und mit Unterstützung durch zusätzliches Sicherheitspersonal gearbeitet“.

Die Entscheidung, das Fernwärme-Areal zur Verfügung zu stellen, habe Iqony bewusst getroffen „zur Unterstützung eines ebenso legitimen wie breiten, bürgerschaftlichen Protests, dem wir uns als international aufgestelltes Unternehmen mit einer diversen Mitarbeiterschaft damit auch inhaltlich anschließen“.

Evonik-Chef Kullmann spricht zu Gegendemonstranten

Auch wenn die Zentrale des Chemiekonzerns Evonik nicht im Essener Sperrgebiet liegt, plant sein Vorstandsvorsitzender Christian Kullmann am Samstag gegen 15 Uhr einen Auftritt bei der Kundgebung der Gegner des AfD-Parteitags. Zu der Protestveranstaltung auf dem Messeparkplatz 2 in Rüttenscheid werden zehntausende Teilnehmer erwartet. „Die Bedrohung für Liberalität, für Toleranz, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für Meinungsfreiheit“ nehme in dem Maße zu, „in dem die AfD erfolgreicher wird“, sagte Kullmann im Gespräch mit unserer Zeitung.

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