Essen. Erschreckende Laborergebnisse. Discounter sieht keinen Zusammenhang mit Haltungsform, sondern ein Problem für die gesamte Branche.

Weil die Menschen in Deutschland immer häufiger zu Fleisch, Wurst und Milch greifen, die von Tieren aus besserer Haltung stammt, liefern sich die Discounter inszwischen ein Wettrennen darum, wer als erster die unteren der vier Haltungsstufen aussortiert. Oft geht Aldi vorneweg, nun macht Lidl bei Wurstwaren den nächsten Schritt und will Aldi überholen: Bis Ende 2025 soll die Hälfte des Wurstsortiments aus den Haltungsstufen 3 und 4 stammen, bis 2030 ausschließlich, teilte Lidl am Dienstag (18.6.) mit. Aldi hinkt mit seinen Zielen hier deutlich hinterher - bis 2026 soll der Wurstanteil aus besserer Haltung von aktuell 20 Prozent auf ein Drittel wachsen.

Beim Frischfleisch ist es umgekehrt: Aldi Süd meldete Anfang dieses Jahres einen „Durchbruch“: Bereits mehr als die Hälfte der Frischfleisch-Produkte komme aus besserer Haltung, deutlich schneller als erwartet. Hier liegt Lidl nach eigenen Angaben aktuell bei einem Drittel und will bis Ende 2025 auf das heutige Aldi-Niveau kommen. Der Handel hat sich sein eigenes, vierstufiges Tierwohllabel gegeben, das von den gesetzlichen Mindest- bis zu Biostandards reicht.

Lidl-Testkäufe in fünf EU-Ländern, auch in einer Duisburger Filiale

Seit diesem Montag gibt es womöglich einen Grund mehr für Lidl, hier mehr Tempo zu machen. Da berichtete der „Spiegel“ als erstes über erschreckende Laborergebnisse nach Analysen von Hähnchenfleischprodukten aus Lidl-Filialen in Deutschland, Italien, Spanien, Großbritannien und Polen, darunter auch eine in Duisburg. Die „Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt“, Auftraggeberin der Laboranalysen, veröffentlichte die Ergebnisse am Dienstag.

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Die im Labor auf verschiedene Keime untersuchten Steaks, Schenkel, Keulen, Flügel und Schnitzel der Eigenmarke „Metzgerfrisch“ stammten von Hähnchen aus der Haltungsform 2. Das bedeutet Stallhaltung mit etwas mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben: Je Quadratmeter sind Hänchen mit einem Gesamtgewicht von 35 statt 39 Kilogramm erlaubt, das entspricht etwa 18 bis 20 ausgewachsenen Masthähnchen.

Demnach wurden auf drei von vier der insgesamt 142 Testprodukte Fäkalkeime gefunden, auf jedem zweiten antiobiotikaresistente Keime, auf jedem dritten Listerien und auf neun Prozent der Produkte Salmonellen, allerdings sämtlich in den Filialen außerhalb Deutschlands. In einer Duisburger Filiale wurden zum Beispiel auf Ende Dezember 2023 gekauften Hähnchenflügeln Fäkalkeime und antibiotikaresistente Keime gefunden. In Auftrag gegeben haben diese Analysen mehrere Tierschutzorganisationen. Sie sehen sich durch die Ergebnisse in ihrer Kritik an der Massentierhaltung vor allem in den untersten Haltungsstufen bestätigt.

„Die Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchung von Lidl-Fleisch sollten uns alle wachrütteln“, sagt dazu Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung. Der Ball liege jetzt bei Lidl: „Es wäre verantwortungslos, einfach weiterzumachen wie bisher. Lidl muss die Ursache für die hohe Zahl antibiotikaresistenter und sonstiger Krankheitserreger auf Fleisch angehen und für eine flächendeckend bessere Hühnerhaltung bei seinen Lieferanten sorgen.“

Lidl: Bei durchgegartem Geflügel keinerlei Gesundheitsgefahr

Lidl erklärte gegenüber unserer Redaktion: „Wir arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung unserer Produkte und gehen jedem Anhaltspunkt umgehend nach, der darauf hinweist, dass unsere hohen Qualitätsstandards nicht eingehalten werden.“ Aber: „Uns liegen in Bezug auf die Mikrobiologie aktuell keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Verkehrsfähigkeit unseres Geflügelfleischs vor.“ Die Qualität der Produkte und der Schutz der Verbraucher habe für Lidl höchste Priorität.

Geflügelfleisch sei grundsätzlich vergleichsweise anfällig für Keimbelastung. Die von der Albert Schweitzer Stiftung festgestellten Keime seien „nicht unbedingt auf die Haltungsform zurückzuführen, sondern kommen in allen Haltungsformen vor“, erklärt Lidl und verweist auch auf entsprechende ergebnisse eines Frischgeflügeltests der Stiftung Warentest. Das sei „eine generelle Herausforderung der gesamten Branche“.

Lidl: Keimfunde kommen in allen Haltungsformen vor

Der Discounter, der erklärtermaßen immer mehr Fleischprodukte durch vegane Alternativen ersetzen will, betont, bei „gängiger Zubereitung von Geflügel“ gehe keinerlei Gesundheitsgefahr davon aus. Grundsätzlich gelte: „Geflügelfleisch sollte niemals roh verzehrt und immer gut durchgegart werden. Darauf weisen wir auf unseren Produktverpackungen ausdrücklich hin.“

Ernährungsexperten raten zudem dazu, Geflügel nur auf gesonderten Brettchen zu schneiden. Die Keime, die vor allem bei immungeschwächten Menschen Durchfall, innere Entzündungen und im Ernstfall gefährliche Antibiotikaresistenzen auslösen können, werden bei ausreichender Erhitzung abgetötet, ab 100 Grad sterben alle Keime.

Bei Salami & Co. will Lidl die Konkurrenz abhängen

Bei den Wurstprodukten, die Lidl nun schneller als die Konkurrenz auf bessere Haltungsformen umstellen will, wird zum allergrößten Teil Schweinefleisch verwendet. Ein Mastschwein hat in der Haltungsstufe 1, die den gesetzlichen Mindeststandards entspricht, 0,75 Quadratmeter Platz, in Stufe 2 ein paar Quadratzentimeter mehr, in Stufe 3 dann 1,05 Quadratmeter und Frischluftzugang, etwa über eine offene Stallfront oder mit einer Außenfläche. Hinzu kommen ab Stufe 3 mehr Spielzeug und der Verzicht auf genveränderte Futtermittel. Die Haltungsstufe 4 des Handels entspricht den europäischen Biostandards.