Brüssel. Fast wie früher: Ex-Außenminister Joschka Fischer reist in ferne Hauptstädte, trifft Minister und sammelt Unterstützung – diesmal freilich für einen anderen Auftraggeber. Fischer ist Berater von RWE, was er sich einst als erster grüner Umweltminister in Hessen sicher nicht vorgestellt hat.
Neulich war er in Baku. Hat sich mit aserbeidschanischen Ministern getroffen. Fast wie früher. Jetzt sitzt er in Brüssel vor Journalisten – und zieht noch immer mehr Aufmerksamkeit auf sich als manches amtierende Regierungsmitglied.
Wenn man Joschka Fischer zuhört, wie er von seinem neuen Job plaudert, drängt sich ohnehin der Eindruck auf, er sei nach wie vor Außenminister. Nur eben nicht von Deutschland, sondern von RWE. „Reisen, mich mit Energie- und Außenministern treffen, Hindernisse überwinden helfen“, so lautet Fischers Kurzdarstellung seines Postens als „Berater“ des Essener RWE-Konzerns sowie des österreichischen Energieriesen OMV.
Dass er ausgerechnet auf der Gehaltsliste beim Kernkraftwerksbauer RWE-Konzern landen würde, hat sich Fischer gewiss nicht vorgestellt, als er sich einst als erster grüner Umweltminister in Hessen einen harten Kampf mit Nuklearfirmen lieferte. Auf die Frage, ob er sich mit den Managern seines heutigen Arbeitgebers denn nicht über Atomstrom streite, antwortet Fischer schmallippig, er habe nichts mit diesem Geschäftsbereich zu tun und führe deshalb keine Nukleardebatten. Eingestellt sei er ausschließlich, um das Gaspipeline-Projekt Nabucco von RWE und seinen Partnern mit voranzutreiben – jene gigantische 3300 Kilometer lange Röhre, die in fünf Jahren Erdgas vom Kaspischen Meer nach Österreich liefern soll. Das ist der Grund, warum er wieder unterwegs ist – in Brüssel, Berlin und Washington ebenso wie in Baku, Aschgabat und Ankara. Fischer soll in der EU die politische Rückendeckung und im Kaukasus den politischen Mut für jenes Projekt sichern, das wie kaum ein anderes Vorhaben die Russen provoziert, weil sich der Westen damit zumindest ein klein wenig aus der Abhängigkeit vom Energielieferanten Moskau befreien will.
Nabucco und Nordstream sind keine Rivalen
Zwar muss auch Fischer darüber schmunzeln, dass sein ehemaliger Regierungskollege Gerhard Schröder beim gleichen Thema russische Interessen vertritt – das entbehre nicht einer gewissen Ironie. Seiner Ansicht nach stünden aber Nabucco und das von Schröder beworbene Nordstream-Vorhaben gar nicht in Rivalität zueinander. Er habe daher keinen Anlass, Schröder speziell deswegen aufzusuchen. „Abgesehen davon sehe ich ihn sowieso manchmal.“
Er sei von Nabucco schon überzeugt gewesen, bevor RWE ihn angeheuert habe, beteuert Fischer. So erkennt er etwa die Chance, die demokratische Verfassung von Ländern, die westlichen Standards bisher nicht genügen, durch Einbindung in das Projekt zu stärken. Was die Frage provoziert, ob er denn in seinen Gesprächen in Turkmenistan auch Menschenrechtsfragen thematisiere. Da grenzt sich Fischer indes klar ab: „Ich bin nicht mehr Außenminister.“