Berlin/München. Die neue Trinkwasserverordnung sagt: Ab dem 1. November müssen Vermieter kontrollieren, ob sich diese Bakterien in den Warmwasseranlagen befinden. Für Labore und Installateure ist das ein gutes Geschäft - die Mieter müssen dagegen mit höheren Nebenkosten rechnen.
Unzählige Vermieter haben noch keine Ahnung von ihren neuen Pflichten: Künftig stehen sie in der Verantwortung, dass sich in den Warmwasseranlagen für die fast 40 Millionen deutschen Mietwohnungen keine gesundheitsschädlichen Bakterien tummeln. Jährliche Wasserproben in Mietshäusern sollen gefährliche Legionellen aufspüren. So will es die neue Trinkwasserverordnung, die am 1. November in Kraft tritt.
Da komme ein Riesenaufwand auf alle Beteiligten zu, sagt Gerold Happ, Jurist beim Eigentümerverband Haus und Grund. Die Kosten von einigen hundert Euro im Jahr müssen letztlich die Mieter tragen. "Bei unseren Mitgliedern herrscht helle Aufregung", berichtet Rudolf Stürzer, Vorstand von Haus und Grund München. Kaum jemand wisse so recht, was ihn bald erwartet. Auch in anderen Geschäftsstellen stehen die Telefone nicht still.
Bakterien werden beim Duschen eingeatmet
Der Grund für die Aufregung ist mit bloßem Auge nicht zu erkennen: Legionellen sind winzige Bakterien, die mitunter tödlich verlaufende Lungenentzündungen auslösen können. Sie werden nicht etwa beim Trinken aufgenommen, sondern beim Duschen eingeatmet. Die Temperatur im Boiler sollte immer 60 Grad betragen. Wird sie aus Energiespargründen auf unter 50 Grad heruntergefahren, können sich die Keime optimal vermehren.
In Krankenhäusern oder Schwimmbädern wird das Wasser schon lange auf die Erreger getestet. Jetzt sollen die Leitungen in den über zwei Millionen Mehrfamilienhäusern jährlich auf den Prüfstand. Für Vermieter heißt das: Ab November müssen sie sich zunächst einmal bei ihrem Gesundheitsamt melden, wenn sie eine Warmwasseranlage ab 400 Liter im Keller haben. Oder Warmwasserleitungen mit mehr als drei Liter Inhalt zwischen Großboiler und Wasserhahn. Das betreffe so gut wie alle vermieteten Mehrfamilienhäuser bundesweit, betont Jurist Happ.
Enormer Mehraufwand
Wie die Behörden das Ganze überwachen und der Datenflut Herr werden sollen, ist allerdings noch völlig offen. Allein in München müssten sich die Vermieter von mehr als 50.000 Mehrfamilienhäusern melden, sagt Hubert Maiwald, Umweltmediziner beim Gesundheitsamt München. Wer die Mehrarbeit stemmen soll, sei unklar. Die bislang sechsköpfige Abteilung brauche hochgerechnet 50 Hygienekontrolleure und einen Arzt mehr, um den Aufwand nur für München bewältigen zu können. "Gut gemeint, aber wenig durchdacht", winkt Mediziner Maiwald jetzt schon ab.
"Wir empfehlen trotzdem, der Meldepflicht nachzukommen", sagt Happ. Ein vorsätzliches Aussitzen könne als Ordnungswidrigkeit geahndet werden - sollte das Kontrollsystem irgendwann einmal funktionieren. Laut Novelle macht sich strafbar, wer seinen Mietern vorsätzlich oder fahrlässig verseuchtes Wasser zur Verfügung stellt. Verstöße können mit bis zu zwei Jahren Gefängnis oder Geldstrafe geahndet werden.
Auch dem zweiten Schritt solle sich besser niemand entziehen, rät Happ. Der heißt: Einen Sanitärbetrieb engagieren, der die Wasserproben offiziell zapfen darf. Bei einem sechsstöckigen Mietsgebäude beispielsweise an einem Wasserhahn im Keller, in einem Bad im zweiten und schließlich noch an einem Duschkopf im obersten Stock.
Die Proben gehen dann zur Untersuchung in ein Labor. Auch das muss amtlich registriert sein. Listen mit Adressen von zugelassenen Betrieben können bei den Gesundheitsämtern erfragt werden.
"Bürokratischer Irrsinn"
Die staatlich angeordneten Millionen Wasserproben seien für Vermieter wie Ämter ein "bürokratischer Irrsinn", für Labore und Installateure jedoch ein gutes Geschäft, erklärt Stürzer. Die Verordnung fuße lediglich auf dem Verdacht, dass große Boiler in Mietshäusern eine Brutstätte für Bakterien sein könnten, betont Happ. Nachweise gebe es nicht. Und Kollege Stürzer bekräftigt: "Allein unsere Münchner Juristen machen über 40.000 Rechtsberatungen im Jahr, aber ein Legionellen-Problem kam da noch nie vor."
Klar ist dafür schon eines: Der Kampf gegen die Legionellen treibt die ohnehin schon happigen Nebenkosten für Millionen Mieter weiter in die Höhe. Sie sind es, die am Ende zur Kasse gebeten werden. Die jährliche Kontrolle kostet ein paar hundert Euro, je nach Hausgröße, Fachbetriebs- und Laborkosten, einmalige Montagen noch nicht mitgerechnet, schätzt Haus und Grund. Diese Ausgaben dürfen dann als Nebenkosten auf die Mieter umgelegt werden.
Selbst wenn mancher Mieter gern für das Wissen um keimfreies Wasser zahlen sollte: Ein echtes Gesundheitsplus für die Bürger sei mit dieser Trinkwassernovelle erst einmal nicht zu erreichen, befürchtet Mediziner Maiwald. Dafür hapere es bei der Umsetzung viel zu stark. Eine simple Vorschrift über das Plombieren der Boiler bei 60 Grad Celsius hätte zum Schutz vor Legionellen voll ausgereicht, ist Stürzer überzeugt. (dapd)