Düsseldorf. Kanzler Scholz hat seinen Urlaub unterbrochen, um einen Einstieg beim Gaskonzern Uniper zu verkünden. Mit der Uniper-Rettung steigt der Gaspreis.

Angesichts der Gaskrise steigt der Bund beim angeschlagenen Düsseldorfer Energiekonzern Uniper ein. Die Bundesregierung, Uniper und der finnische Mehrheitsaktionär Fortum haben sich Unternehmensangaben zufolge auf ein „Stabilisierungspaket“ für Uniper geeinigt. Als größter Gasimporteur Deutschlands sei Uniper am stärksten von der Drosselung der russischen Gaslieferungen betroffen und daher „in extremem Maße finanziell belastet“, erklärte der finnische Staatskonzern Fortum.

Die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich nach Angaben von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit 30 Prozent an Uniper. Nach Angeben von Fortum ist geplant, dass der Bund rund 157 Millionen neue Uniper-Namensaktien zum Nennwert von jeweils 1,70 Euro gegen eine Bareinlage von rund 267 Millionen Euro zeichnet. Die Bundesregierung hat sich nach Unternehmensangaben auch dazu verpflichtet, bei Bedarf weiteres Kapital in Höhe von bis zu 7,7 Milliarden Euro gegen Ausgabe von sogenannten Pflichtwandel-Instrumenten zur Verfügung zu stellen, um potenzielle Verluste zu decken.

Kreditmöglichkeit in Höhe von neun Milliarden Euro

Die staatseigene KfW-Bank werde Uniper zusätzliche sieben Milliarden Euro an Liquiditätsreserven zur Verfügung stellen. Dies erfolgt Unternehmensangaben zufolge durch Aufstockung der bestehenden KfW-Kredite von derzeit zwei Milliarden Euro. Damit geht es insgesamt um neun Milliarden Euro. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von „wichtigen Entscheidungen“. Das Unternehmen sei von „überragender Bedeutung“ für die Energieversorgung von Deutschland.

Auch die Gaspreise dürften weiter steigen. Die Bundesregierung beabsichtigt nach Unternehmensangaben auch, ab dem 1. Oktober einen Mechanismus zur Weitergabe von 90 Prozent der Mehrkosten für Ersatzbeschaffungen von Gas aufgrund von russischen Lieferkürzungen einzuführen. Kanzler Scholz sagte, damit sei auch eine Erhöhung der Gaspreise für die jeweiligen Verbraucher verbunden. Dies könne für einen durchschnittlichen Haushalt eine Zusatzbelastung von „200 oder 300 Euro“ pro Jahr bedeuten. Scholz sprach von Mehrkosten in Höhe von schätzungsweise rund zwei Cent pro Kilowattstunde pro Haushalt.

Uniper aus Essener Konzernen Eon und Ruhrgas hervorgegangen

Zur früheren Eon-Tochter Uniper gehören rund 11.500 Mitarbeitende in mehr als 40 Ländern. Große Standorte befinden sich unter anderem im Ruhrgebiet, das Steinkohlekraftwerk in Datteln etwa und der Standort Gelsenkirchen-Scholven, an dem Uniper in diesem Jahr ein neues Gaskraftwerk in Betrieb nehmen will.

Das Unternehmen, in dem große Teile des Essener Versorgers Ruhrgas aufgegangen sind, gehört bislang – und auch nach dem Einstieg der Bundesrepublik Deutschland – mehrheitlich dem finnischen Staatskonzern Fortum. Zu den Kunden von Uniper zählen viele Stadtwerke, die bei der früheren Eon-Tochter Gas aus Russland einkaufen. „Uniper ist ein systemrelevantes Unternehmen“, sagte Immo Schlepper, der Uniper-Konzernbetreiber der Gewerkschaft Verdi.

Infolge der Rettungsaktion der Bundesregierung werde der derzeitige Fortum-Anteil von rund 80 Prozent an Uniper bei der ersten Kapitalzuführung auf 56 Prozent reduziert, erklärte der finnische Konzern. Fortum bleibe damit Mehrheitsaktionär und werde Uniper weiterhin als Tochtergesellschaft in der Bilanz führen.

Konzernchef Maubach zeigt sich „froh und erleichtert“

Er sei „froh und erleichtert, dass Uniper mit der heutigen Einigung als systemkritisches Energieunternehmen finanziell stabilisiert und als Ganzes erhalten“ bleibe, sagte Uniper-Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach. Damit sei sichergestellt, dass Uniper seine Kunden, darunter zahlreiche Stadtwerke und Industrieunternehmen, weiter mit Energie versorgen könne. „Wir haben jetzt eine klare Perspektive, wie die Kosten, die durch die unterbrochenen Gaslieferungen aus Russland entstehen, künftig auf viele Schultern verteilt werden können.“ Uniper-Konzernbetriebsratschef Harald Seegatz berichtete, es herrsche „große Erleichterung“ im Konzern.

Der Verband der kommunalen Unternehmen, der die Interessen von mehr als 1500 Stadtwerken und kommunalen Betriebe vertritt, sieht in dem Staatseinstieg einen richtigen Schritt. Indem der Bund die Handlungsfähigkeit von Uniper sichere und beim Gasimport stützend aktiv werde, „schützt er auch die Endkundinnen und Endkunden“, sagt VKU-Chef Ingbert Liebing. „Die Belieferung der versorgungsnotwendigen Stadtwerke und kommunalen Energieversorger ist damit gesichert, die Belastungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher können reduziert werden.“

Verdi fordert Entlastung bei den Energiekosten

Die Gewerkschaft Verdi lobt ebenfalls die Entscheidung der Bundesregierung, Uniper durch eine direkte Beteiligung und weitere Kredite in der akuten Energiekrise zu unterstützen. Damit werde die Energieversorgung in Deutschland und Europa stabilisiert, betonte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz. Angesichts der „weiterhin extrem hohen Energiekosten“ und bevorstehenden Preiserhöhungen für Verbraucherinnen und Verbraucher fordert Schmitz von der Bundesregierung nun ein „umfassendes und sozial ausgestaltetes Entlastungspaket“. Energie, Strom und Wärme seien „Grundbedürfnisse“ der Bürgern und Wirtschaft. „Damit das soziale Gleichgewicht im Lande nicht in eine noch stärkere Schieflage gerät, müssen gerade Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen wirksam entlastet werden“, so Schmitz. Dies gelte auch für Bezieherinnen und Bezieher von sozialen Transferleistungen, Familien, Rentnerinnen und Rentner sowie Studierende.

IGBCE fordert „Solidaritätsaufschlag“ für Privathaushalte mit hohem Gasverbrauch

„In dieser Krise muss der Staat alles tun, um einen Kollaps des Systems zu verhindern“, sagte Michael Vassiliadis, der Chef der Industriegewerkschaft IGBCE, mit Blick auf die Uniper-Rettung. Gleichzeitig forderte der IGBCE-Chef einen Solidaritätsaufschlag für Privathaushalte mit besonders hohem Gasverbrauch. „Es gibt eine Menge Menschen, die eine Menge Geld verdienen und eine Menge Gas verbrauchen“, so der Gewerkschaftsvorsitzende. „Sie müssen wir in diesen Tagen stärker in die Pflicht nehmen, um die Entlastung der finanziell Schwächeren mitzufinanzieren.“

Außerdem könne der „Solidaritätsaufschlag“ dazu beitragen, im privaten Bereich Gas einzusparen. Vassiliadis regte an, ab einer Schwelle von 16.000 Kilowattstunden (kWh) Gas-Jahresverbrauch je Wohneinheit jede zusätzliche Kilowattstunde mit einem Aufschlag zu versehen. 16.000 Kilowattstunden entsprechen nach Einschätzung der IGBCE dem durchschnittlichen Heiz- und Warmwasserverbrauch in einer 100-Quadratmeter-Wohnung. „Das Heizen privater Pools zu verbieten, das aber nicht zu kontrollieren, wird wenig Wirkung entfalten“, sagte Vassiliadis. „Verschwendung muss über den Preis bekämpft werden.“