Essen. Auch an einigen NRW-Kliniken blieben Zeitarbeiter beim Impfen des Personals außen vor. Dabei werden sie dringender denn je gebraucht.

Es gibt viele Branchen, die stark unter der Corona-Krise leiden. Selten genannt wird dabei die Zeitarbeit, die in Deutschland nach wie vor um ihr Image kämpfen muss. Dabei beklagt sie bisher mit die größten Beschäftigungsverluste. Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) waren Mitte 2020 nur noch rund 748.000 Menschen in Zeitarbeit beschäftigt - knapp 150.000 weniger als vor Jahresfrist.

Und mit dem zweiten Shutdown im Dezember dürfte sich dieser Trend noch verstärkt haben. Denn in Krisen wie diesen sind es immer die Leiharbeiter und befristet Beschäftigten, die als erste gehen müssen. Sie stehen dann noch unter Vertrag bei ihrer Verleihfirma, aber nicht ewig. Drei von vier Zeitarbeitsunternehmen gaben in der jüngsten Umfrage ihres Branchenverbands IGZ an, weniger Aufträge zu erhalten, jedes vierte sieht gar seine Existenz bedroht.

Zeitarbeiter verdienen in der Pflege oft über Tarif

Doch es gibt eine große Ausnahme: In den Krankenhäusern und den Altenheimen werden Zeitarbeiter aktuell mehr denn je gebraucht. Das Personal ist schon lange knapp, Ausfälle vom Stammkräften kommen in der Corona-Krise nun hinzu. "Weil sie so dringend gebraucht werden, verdienen Zeitarbeiter oft auch besser - das führt mitunter zu Spannungen in den Belegschaften", weiß Katharina von Croy, Sprecherin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe in NRW. Hinzu komme, dass sie feste Schichten erhalten und von Wechselschichten verschont bleiben.

Der Zeitarbeits-Riese Adecco bestätigt das. Die Folge: "Viele zuvor festangestellte Fachkräfte, insbesondere aus Pflegeheimen, kommen zu uns", sagt Adecco-Sprecher Philipp Schmitz-Waters. Ein Hauptgrund für den Wechsel in die Zeitarbeit sei in der Tat, dass viele mit den Wechselschichten nicht mehr zurechtkämen.

Geliehene Kollegen auf Personal-Impflisten vergessen

Einen zweifelhaften Vorteil genießen die Stammkräfte in einigen Kliniken und Pflegeheimen aktuell aber: Sie werden, wenn sie denn mögen, geimpft, die von Personalvermittlern geliehenen Kräfte bleiben außen vor. So ist es in einigen Häusern in Berlin vorgekommen, aber auch in NRW haben Kliniken bei der Erstellung der Listen zu impfender Mitarbeiter die Zeitarbeitskräfte vergessen.

Das bestätigt etwa Kevin Tilge, Geschäftsführer des Oberhausener Personaldienstleisters Themis, der sich auf die Vermittlung von Klinikpersonal spezialisiert hat: "Die Mehrheit der Kliniken impft die Zeitarbeitskräfte mit. Aber einzelne Häuser in NRW tun das nicht und impfen nur ihr Stammpersonal." Sein Unternehmen plane deshalb selbst Impfaktionen für seine Mitarbeiter, die an Krankenhäuser in ganz NRW verliehen werden.

Katharina von Croy hält das Vorgehen mancher Kliniken für nicht zielführend im Sinne des Infektionsschutzes von Personal wie Patienten. "Insbesondere dort, wo die Zeitarbeits-Pflegekräfte mit Covid-19-Patienten in Berührung kommen, müssen sie natürlich genauso geimpft werden wie das Stammpersonal der Klinik", fordert sie.

Laumann: Einrichtungen sollen auch Zeitarbeiter impfen

NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) stellt gegenüber unserer Redaktion klar: „Der Anspruch auf die Schutzimpfung darf nicht vom Anstellungsverhältnis abhängen." Wer in den Krankenhäusern in den besonders sensiblen Bereichen oder in stationären Pflegeeinrichtungen arbeite, solle geimpft werden, egal ob fest angestellt oder in Zeitarbeit. "Hier sind die Einrichtungen ganz klar in der Pflicht, allen, die in ihrem Zuständigkeitsbereich tätig sind, eine Impfung zu ermöglichen“, betont Laumann.

Der Düsseldorfer Personaldienstleister Adecco erklärte auf Nachfrage, bei den regelmäßigen Corona-Tests funktioniere die Gleichbehandlung der Zeitarbeitnehmer gut. Unabhängig von der Art der Beschäftigung seien Pflegekräfte aber auch berechtigt, gegen Corona geimpft zu werden. Das zu organisieren obliege den "Einrichtungen vor Ort.“

Dass darüber überhaupt diskutiert wird, liegt offenkundig an einer Initiative der Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), die Leiharbeit in Krankenhäusern per Bundesratsinitiative verbieten lassen will. Eine große Leiharbeitsfirma in der Hauptstadt hat darauf bereits reagiert, indem sie versprach, dass Zeitarbeiter keine Löhne mehr über dem Tarif der Stammkräfte erhalten sollen.

Verbot von Zeitarbeit in der Pflege diskutiert

Aus Sicht der Branchenverbände das falsche Signal. Die Interessengemeinschaft Zeitarbeit (IGZ) wehrt sich gegen ein mögliches Verbot von Zeitarbeit in der Pflegebranche, wie es bereits in der Fleischindustrie und dem Bauhauptgewerbe ausgesprochen wurde. "Gerade in Zeiten einer Pandemie ist jede helfende Hand wichtig", sagt Bundesgeschäftsführer Werner Stolz mit Blick auf den Pflegenotstand.

Um der Benachteiligung bei den Impfaktionen in öffentlichen Kliniken der Hauptstadt zu begegnen, hat die IGZ in Berlin eine Anlaufstelle für nicht geimpfte Zeitarbeitskräfte initiiert. Stolz appelliert an alle Bundesländer, dies ebenfalls zu tun.