Essen. Erste virtuelle Hauptversammlung von Eon: Konzernchef Teyssen wirbt für das Online-Format. Verlässt Eon die Grugahalle als Veranstaltungsort?
Eon-Chef Johannes Teyssen macht keinen Hehl daraus, dass ihm das Format der virtuellen Hauptversammlung recht gut gefällt. „Natürlich werden viele unserer treuen deutschen Privataktionäre bedauern, nicht live in Essen dabei sein zu können“, sagt Teyssen. Aber sei es denn nicht „ein schöner Ausgleich, dass erstmals auch die vielen internationalen Aktionäre von Anfang bis Ende dabei sein können?“ Eigentlich hätte Teyssen in der Essener Grugahalle zu den Eon-Aktionären sprechen sollen – wie in den Vorjahren auch. Doch wegen der Corona-Krise hat Deutschlands größter Energiekonzern kurzfristig die Pläne geändert.
Bislang ist die gesetzliche Grundlage, die den Unternehmen angesichts der Corona-Krise eine Hauptversammlung ohne physische Teilnahme der Aktionäre ermöglicht, lediglich vorläufiger Natur. Teyssen wirft aber die Frage auf, ob es mit Blick auf den Klimaschutz nicht nachhaltiger sei, „wenn eine Beteiligung ohne anstrengende Reisen ermöglicht wird“. Er werbe „ausdrücklich dafür, den Weg für eine modernere und zeitgerechtere Hauptversammlung“ zu suchen, sagt der Eon-Chef. „Warten wir mal ab, wie der Gesetzgeber entscheidet.“
Kosten sinken deutlich durch Online-Hauptversammlung
Zuletzt hat Eon die Hauptversammlung in der Grugahalle rund 1,5 Millionen Euro gekostet, in früheren Jahren sogar etwa das Doppelte. Für das Online-Format muss der Konzern eigenen Angaben zufolge lediglich rund 300.000 Euro aufwenden. Weitere etwa 300.000 Euro fallen diesmal noch für die stornierten Räumlichkeiten an.
Aktionärsvertreter wie Ingo Speich von der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka mahnen, virtuelle Hauptversammlungen sollten die Ausnahme bleiben. Es müsse auch künftig eine Aussprache direkt vor Ort geben, sonst seien die Aktionärsrechte eingeschränkt. Teyssen hingegen sagt, er sei „ein zunehmender Fan“ von Online-Formaten.
„Langfristige Folgen der Pandemie zeigen sich erst mit Verzögerung“
Routiniert spult der Eon-Vorstandsvorsitzende sein Programm ab, nachdem pünktlich um 12 Uhr am Donnerstagmittag ein Gong erklungen ist und Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley die virtuelle Hauptversammlung eröffnet hat. Kley, der auch das Kontrollgremium der angeschlagenen Lufthansa führt, ist einer der wenigen Manager im Konferenzraum. Die wenigen, die da sind, halten Abstand.
Schnell kommt Teyssen auf die Corona-Krise zu sprechen. „Wir müssen wohl oder übel lernen, noch lange mit dem Virus zu leben und zu arbeiten“, sagt er. Auch die „gar nicht mal schlechten Zahlen“, über die Teyssen spricht, seien derzeit nur bedingt aussagekräftig. „Denn die langfristigen Folgen der Pandemie zeigen sich erst mit Verzögerung. Und wir hoffen wohl alle, dass die Hilfspakete noch größeres Unheil von der Weltwirtschaft abhalten.“ Als Unternehmen mit mehr als 50 Millionen Kunden dürfte Eon eine lang anhaltende Rezession zu spüren bekommen.
Die Organisation des Energieversorgers wird von den Veränderungen geprägt, die aus dem Deal mit dem Konzernnachbarn RWE resultieren. Teyssen und RWE-Chef Rolf Martin Schmitz hatten sich im März 2018 darauf geeinigt, die RWE-Tochter Innogy mit ihren mehr als 40.000 Beschäftigten untereinander aufzuteilen. Eon konzentriert sich auf den Vertrieb und das Netzgeschäft, RWE übernimmt die Ökostrom-Erzeugung. Bis zu 5000 Stellen sollen bei Eon wegfallen. Beim Personalabbau ist das Unternehmen dem Vernehmen nach bereits weit vorangekommen.
„Wir vermissen die Wachstumsfantasie“
„Stärker, berechenbarer und planbarer“ werde Eon durch den Konzernumbau, sagt Teyssen. Das Unternehmen stehe auch in der Corona-Krise zum verkündeten „Dividenden-Versprechen“. In den nächsten drei Jahren soll die Gewinnausschüttung jeweils um bis zu fünf Prozent zu steigern. „Wir haben viele Szenarien analysiert“, berichtet der Manager. Er halte das Geschäft von Eon „auch hinsichtlich der Corona-Pandemie für widerstandsfähig“.
„In der Corona-Krise macht Eon einen stabilen Eindruck“, sagt Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) im Gespräch mit unserer Redaktion. „Die Eon-Aktie entwickelt sich zu einem Witwen- und Waisenpapier. Das heißt: Es sind ordentliche Dividenden zu erwarten, aber es macht sich auch eine gewisse Langeweile breit.“ Thomas Deser von der Fondsgesellschaft Union Investment urteilt: „Wir vermissen die Wachstumsfantasie im Geschäftsmodell der neuen Eon.“
Vertrag von Eon-Chef Teyssen läuft Ende 2021 aus
Vorstandschef Teyssen sagt, der Konzernumbau, den das Management im Jahr 2014 begonnen habe, sei nach dem Verkauf der einstigen Tochterfirma Uniper und der Eingliederung von Innogy „strategisch und strukturell abgeschlossen“. Teyssens Vorstandsvertrag läuft zum 31. Dezember nächsten Jahres aus. Winfried Mathes von der Fondsgesellschaft Deka fragt bereits danach, wann Aufsichtsratschef Kley die Aktionäre darüber unterrichten wolle, „wie es mit dem Vorstandsvorsitzenden bei Eon weitergeht“. Erwartungsgemäß lässt sich Kley während der virtuellen Hauptversammlung nicht in die Karten schauen.
„RWE hat die Nachfolgefrage bereits geklärt. Eon hat dies noch vor sich“, kommentiert Thomas Hechtfischer das herannahende Vertragsende von Teyssen und betont: „Frühzeitig Klarheit zu schaffen, ist sicherlich von Vorteil.“ Bei RWE soll Finanzchef Markus Krebber im Juli nächsten Jahres auf Rolf Martin Schmitz als RWE-Chef folgen. Hechtfischer meint, eine spannende Frage sei, wie die ehemaligen Konzernrivalen künftig miteinander umgehen: „Bleibt es so friedlich, wenn die Nachfolger von Schmitz und Teyssen das Sagen haben?“
Die erste virtuelle Hauptversammlung von Eon endet übrigens schon um kurz vor 16 Uhr – deutlich früher als die Aktionärstreffen des Konzerns in den Jahren zuvor.