Essen. Banken-Tarifrunde: Verdi fordert mehr Geld, ein Recht auf Homeoffice und Kostenerstattung. Ein Tarifstreit an drei Fronten, Streiks bei Postbank.
Die nicht enden wollende Nullzinsphase in Europa und der durch die Pandemie verstärkte Trend zum Onlinebanking macht den Filialbanken und Sparkassen schwer zu schaffen. Keine gute Ausgangslage für hohe Lohnforderungen. Die Gewerkschaft Verdi versucht es seit dem vergangenen Sommer, auch mit vielen Warnstreiks. Nun will sie endlich zu Abschlüssen kommen – und neben höheren Tariflöhnen auch Corona-Prämien sowie ein Recht auf mobiles Arbeiten durchsetzen, Letzteres flankiert von Kostenerstattungen fürs Büro daheim. Vor allem dagegen wehren sich die Banken massiv.
„Die Auseinandersetzungen im Banken- und Finanzsektor werden härter“, weiß Jan Duschek, der die Branche für Verdi betreut. Er meint damit auch die Verteilungskämpfe innerhalb der Geldinstitute. Vor allem bei der Deutschen Bank macht er eine gewisse „Disbalance“ aus zwischen steigenden Managergehältern und der Mahnung zur Zurückhaltung bei den Tarifbeschäftigten. Das habe zur Folge, dass die Beschäftigten in der Branche viel kampfbereiter seien als früher, und: „Darin unterstützen wir sie.“
Postbanken werden jeweils zweitägig bestreikt
Aktuell vor allem die rund 15.000 Beschäftigten der Deutsche-Bank-Tochter Postbank. Für sie haben die Verhandlungen gerade erst begonnen, während Verdi seit vergangenem Jahr separat mit den anderen Privatbanken und den öffentlichen Geldinstituten verhandelt, die ihre Tarifgemeinschaft 2020 gelöst hatten. Es ist seither ein Arbeitskampf an drei Fronten: Nachdem Verdi den privaten und öffentlichen Banken einen heißen Herbst voller Warnstreiks bescherte und kommende Woche Abschlüsse anpeilt, will die Gewerkschaft gleich nach der ersten Runde die Postbank tageweise lahmlegen.
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Zum Wochenende hin würden rund 40 Filialen bundesweit zu zweitägigen Arbeitsniederlegungen aufgefordert, teilte Verdi vor Journalisten mit. Die Standorte sollen am Donnerstag bekanntgegeben werden. „Wenn in den früheren Postämtern die Pakete liegen bleiben, sorgt das vor Ort immer für viel Ärger. Deshalb sind die Warnstreiks ein guter Hebel für uns, Druck auf die Deutsche Bank zu machen“, sagt Roman Eberle, der Verdi-Mann für die Postbank-Filialen mit ihren noch 8000 Beschäftigten. Auch das operative Geschäft im Backoffice mit 7000 Beschäftigten soll bestreikt werden.
Arbeitgeber wollen dreijährige Laufzeiten
Dass die Postbank mit ihrem Haustarif ein halbes Jahr nach den anderen in diese Runde einsteigt, hatte für sie schon vorab einen Nachteil: Verdi fordert wegen der kräftig gestiegenen Inflation nun eine Entgelterhöhung von sechs Prozent, bei den privaten und öffentlichen Banken war sie noch mit 4,5 Prozent ins Rennen gegangen. Die Privatbanken bieten bisher nach neun Nullmonaten 1,2 Prozent ab April 2022, die öffentlichen Institute 1,4 Prozent, aber erst ab August 2022, dazu eine Einmalzahlung von 400 Euro. Beide Bankengruppen streben dreijährige Laufzeiten mit weiteren kleinen Erhöhungsschritten an, die Privatbanken bieten je ein Prozent in 2023 und 2024.
Als größter Knackpunkt erweist sich vor allem bei den Privatbanken aber das von Verdi geforderte Recht auf mobiles Arbeiten, das in dieser Pandemie einen riesigen Schub erhalten und von der Politik phasenweise sogar zur Pflicht erhoben wurde. Die Gewerkschaft will die aus der Not geborene Flexibilität der Beschäftigten in geordnete Bahnen bringen und fordert für alle Bankbeschäftigten, die nicht in der Filiale präsent sein müssen, ein dauerhaftes Recht, bis zu 60 Prozent ihrer Arbeitszeit mobil erbringen zu dürfen, was in aller Regel daheim geschieht.
Verdi fordert 1500 Kostenpauschale fürs Homeoffice
Weil viele für ihr Homeoffice längst neue Geräte, Bildschirme, Bürostühle und anderes angeschafft haben, fordert Verdi dafür noch 1500 Euro Kostenerstattung sowie monatlich weitere 100 Euro für Mehraufwendungen wie höhere Strom- und Heizkosten. Um den Betriebsfrieden zu wahren, sollen das aber auch alle erhalten, die nicht von zuhause aus arbeiten können, sondern in die Filiale kommen müssen – für sie nennt das Verdi „Mobilitätspauschale“. Obendrauf will die Gewerkschaft eine Pandemie-Prämie von 700 Euro für alle und weitere 800 Euro für Beschäftigte herausholen, die durch Corona-Beschränkungen weniger Provisionen erhalten haben.
Mit den Privatbanken verhandelt Verdi am Montag in fünfter Runde weiter, mit den öffentlichen am kommenden Donnerstag. Dem Vernehmen nach liegen die Vorstellungen jeweils beim Geld sehr weit auseinander, die öffentlichen Banken mit ihren 60.000 Beschäftigten bewegen sich offenbar aber bei den Themen Homeoffice und Corona-Prämie. Die Verhandlungen mit den Privatbanken über ihre 140.000 Tarifbeschäftigten hatte Verdi im September abgebrochen. Nach diplomatischen Annäherungen außerhalb der offiziellen Termine sehen beide Seiten nun wieder Schnittmengen.
Banken schließen immer mehr Filialen
Die Banken dünnen seit vielen Jahren ihre Filialnetze fortwährend aus, weil immer weniger Kunden in die Filialen kommen. Dass hohe Lohnsteigerungen diese Entwicklung weiter beschleunigen könnten, verneint Verdi-Bankenfachbereichsleiter Duschek aber: „Das ist schlicht falsch, wir haben in den vergangenen Jahrzehnten andere Erfahrungen gemacht“. Der Stellenabbau komme so oder so, unabhängig von aktuellen Tariferhöhungen. Und: „Wir kümmern uns um jene, die bleiben. Sie wollen fair bezahlt und behandelt werden.“