Dortmund. Die Gewerkschaft Verdi will im Tarifstreit im NRW-Einzelhandel Warnstreiks fortsetzen. Beschäftigte werden zur Kundgebung in Dortmund erwartet.
Im Tarifkonflikt des Groß-, Einzel- und Außenhandels in NRW setzt Verdi die Warnstreiks fort. Die Gewerkschaft hat am Mittwoch in der vierten Woche in Folge zum Warnstreik ausgerufen. So werden etwa 1.500 Beschäftigte ab 11 Uhr zu einer Kundgebung in Dortmund erwartet. Anschließend soll ein Demonstrationszug durch die Innenstadt ziehen.
Verdi fordert für die Beschäftigten 4,5 Prozent sowie 45 Euro mehr Lohn sowie ein Mindestentgelt von 12,50 Euro pro Stunde. „Die Beschäftigten des Handels versorgen die Gesellschaft mit allem Lebensnotwendigen, das haben sie besonders in der Pandemie unter Beweis gestellt. Das Jahr 2020 war für den gesamten Handel ein gutes Jahr mit Umsatzplus, Angebote unterhalb der Preissteigerungsrate sind daher nicht akzeptabel,“ so Verdi-Verhandlungsführerin Silke Zimmer zu den Warnstreiks.
Einzelhandel will Löhne nur in gut laufenden Unternehmen erhöhen
Zuvor hatte sich der Tarifstreit im Einzelhandel am Dienstag bereits weiterzugespitzt: Der Handelsverband Deutschland (HDE) hatte Einzelhändlern, die gut durch die Corona-Krise gekommen sind, empfohlen, die Löhne und Gehälter ihrer Mitarbeiter noch vor einem Tarifabschluss freiwillig um zwei Prozent zu erhöhen. Bei der Gewerkschaft Verdi sorgte der ungewöhnliche Vorstoß für Empörung. „Damit verschärft der HDE den Tarifkonflikt im Einzel- und Versandhandel und erschwert die ohnehin komplizierten Verhandlungen weiter“, sagte der Verdi-Bundesfachgruppeleiter Einzelhandel, Orhan Akman.
Mehrere große Handelsketten wie Ikea, Otto, die Rewe-Gruppe mit ihren tarifgebundenen Einzelhandelsgeschäft bei Penny und Rewe sowie mehrere Regionalgesellschaften des Edeka-Verbundes mit ihren tarifgebundenen Filialen haben laut HDE bereits verbindlich erklärt, die freiwillige Entgelterhöhung umsetzen zu wollen. Eine Rewe-Managerin sagte, der Handelsriese wolle nicht, dass Mitarbeiter, die sich mit vollem Einsatz für die Bewältigung der Pandemie einsetzten, noch unbestimmte Zeit auf einen Tarifabschluss warten müssten.
Einigung ist in in diesem Jahr besonders schwer
Verdi reagierte verärgert. „Mit diesem Versuch einer einseitigen Lohnfestsetzung zündelt der HDE in der laufenden Tarifrunde“, sagte Akman. Der HDE habe offenbar kein Interesse an einem zügigen Tarifabschluss mit Reallohnerhöhungen. Stattdessen sollten die Beschäftigten billig abgespeist werden. Das bisherige Angebot der Arbeitgeber liege unter der für 2021 prognostizierten Inflationsrate und sei „ein Schlag ins Gesicht der Kolleginnen und Kollegen, die Tag für Tag ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt haben, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen“.
Die Tarifverhandlungen im Einzelhandel mit seinen mehr als drei Millionen Beschäftigen sind dieses Jahr besonders kompliziert. Wegen der Corona-Pandemie gibt es viel größere Unterschiede bei der wirtschaftlichen Lage der Händler als sonst. Während etwa Lebensmittelhändler zu den Krisengewinnern gehörten und in der Pandemie enorme Umsatzsteigerungen verzeichneten, brachen die Umsätze im Modehandel mit coronabedingten Ladenschließungen ein.
Die Arbeitgeber dringen deshalb in den Verhandlungen auf eine Differenzierung zwischen Unternehmen je nach Betroffenheit von der Krise. In den Tarifverhandlungen vereinbarte Lohnerhöhungen sollen nach den Plänen der Arbeitgeber bei den härter getroffenen Unternehmen erst mit deutlicher Verzögerung greifen.
Gewerkschaft Verdi reagiert empört auf Arbeitgebervorstoß
Das stößt bei der Gewerkschaft Verdi auf wenig Gegenliebe. Sie fordert eine pauschale Erhöhung der Entgelte um 4,5 Prozent. Denn Beschäftigte in den von der Krise hart getroffenen Unternehmen brauchten mehr Geld. Sie seien oft von Kurzarbeit betroffen gewesen und hätten in der Pandemie erheblich an Einkommen verloren. Ihren Forderungen hatte die Gewerkschaft zuletzt wiederholt mit Warnstreiks Nachdruck verliehen.
Mit seinem überraschenden Vorstoß will der Einzelhandel nun offensichtlich der Gewerkschaft den Wind aus den Segeln nehmen. Im Laufe des Sommers könne dann „in der nötigen Sachlichkeit und Ruhe über einen differenzierten Tarifabschluss für die gesamte Branche verhandelt werden“, sagte HDE-Geschäftsführer Steven Haarke.
Die zur Schwarz-Gruppe gehörenden Handelsketten Lidl und Kaufland hatte bereits Ende Mai angekündigt, die Löhne ab Juli freiwillig um drei Prozent zu erhöhen und angekündigt, auch an der Lohnerhöhung festzuhalten, falls der Tarifabschluss niedriger ausfalle. (red/dpa)