Iserlohn. „Auto-Professor“ Wilhelm Hannibal von der FH Südwestfalen glaubt weiter an die Zukunft des Verbrennungsmotors und erklärt, warum.

Wenn die Partei der Grünen in ihrem Programm das emissionsfreie Auto bis 2030 fordert, muss Professor Dr.-Ing. Wilhelm Hannibal tief durchatmen. Der Wissenschaftler an der Fachhochschule Südwestfalen hält ein grundsätzliches Ende des Verbrennungsmotors für falsch. Sein Motto lautet vielmehr: „Wir müssen mehr Mobilität wagen!“

Damit meint der promovierte Maschinenbauer, der vor seiner Hochschulkarriere als Leiter der technischen Berechnungen bei Audi an der Entwicklung des Achtzylinder-Motors beteiligt war, einen sehr viel differenzierteren Blick auf das Auto von morgen: „Ein CO2-freier Kraftstoff muss das Problem lösen, nicht der Verbrennungsmotor“, ist Hannibal überzeugt.

Schwenkt China wieder um?

Das heißt jedoch keineswegs, dass der Iserlohner Forscher Elektro- oder Hybrid-Lösungen bei Autos ablehnt. „Wir müssen natürlich weg vom konventionellen Kraftstoff und hin zu CO-neutral erzeugten Kraftstoffen, beziehungsweise alternativen Antriebsquellen, wie sie etwa durch Strom oder Wasserstoff in Verbindung mit Verbrennungsmotoren durchaus möglich sind.“

Dass etwa sein früherer Arbeitgeber Audi in absehbarer Zukunft keine Verbrennermotoren mehr bauen werde, stimme so nicht, meint der Professor aus Iserlohn. Audi hatte jüngst angekündigt, nach 2025 keine neue Verbrennertechnologie mehr entwickeln und ab 2033 keinen Verbrenner mehr vom Band laufen lassen zu wollen. Hannibal: „Dort ist man lediglich der Meinung, dass die neue Hightech-Generation ihrer (Audi)-Verbrenner nicht mehr weiterentwickelt werden müsse, weil auf diesem Sektor einfach keine Verbesserungen mehr zu erwarten sind. Daher sollen vorhandenen Forschungskapazitäten künftig stärker auf die Hybridlösungen ausgerichtet werden. Ein radikales Ende des Verbrennermotors bedeutet das jedoch nicht. Und überhaupt: Nicht die Vorstandsetagen der Autokonzerne bestimmen das Programm, sondern es sind vielmehr die Kunden, die durch den Markt entscheiden.“

In Bezug auf die Kunden wird dies in Ingolstadt auch so gesehen. Audi-Chef Markus Duessmann erklärte vergangene Woche auf einer Berliner Klimakonferenz zudem, dass man sich auch nach 2033 die Produktion von Pkw-Modellen mit Verbrennungsmotor vorstellen könne – in China, wo es Bedarf gebe.

Professor Hannibal denkt ganzheitlicher. Soll heißen, verschiedene Antriebs- und Mobilitätssysteme sollen in Zukunft nebeneinander und zweckgebunden existieren. Für Großserien auf dem Automarkt hält Hannibal den Plug-in-Hybrid mittelfristig für die bestmögliche und praktikabelste Lösung. Er verbindet Elektro für die kurze Stadtstrecke (Arbeit, Einkauf) mit dem Verbrennungsmotor für die lange Distanz (Urlaubs-, Dienstreisen).

Zur Person Wilhelm Hannibal

Der 62-jährige Wilhelm Hannibal ist Maschinenbauingenieur und Professor für Konstruktionslehre und CAD-Ausbildung an der Fachhochschule Südwestfalen in Iserlohn.Er ist gebürtiger Westfale (Steinheim bei Paderborn) startete seine Karriere als Konstrukteur bei Audi. In dieser Zeit schrieb er seine Doktorarbeit zum Thema Ventilsteuerungen an Serien-Ottomotoren. Mitte der 90er Jahre wechselte Hannibal aus der Wirtschaft an die Fachhochschule Südwestfalen.Seit 2003 ist Hannibal gemeinsam mit Professor Flierl (TU Kaiserslautern) Geschäftsführer der „enTec Consulting GmbH“ mit Sitz in Hemer, die auf Entwicklung und Vermarktung von innovativen Systemkomponenten für Verbrennungsmotoren spezialisiert ist.

Hannibal verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass etwa in China gegenwärtig die Weiterentwicklung von Verbrennungsmotoren neuerlich in den Fokus geraten ist, nachdem dort die Förderung von Elektroautos bereits aufgegeben wurde: „Gerade die Corona-Situation hat uns ja gelehrt, dass wir uns hochflexibel den Herausforderungen stellen müssen. Übertragen auf die Fahrzeugantriebstechnik bedeutet das, dass die Kommunikation zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wesentlich intensiviert werden muss, um unabhängig von Fernost auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben.“

Im Sinne Hannibals heißt das, dass die Antriebstechnologie der Zukunft vielschichtig und vielseitig sein muss. Kleine, kompakte Fahrzeuge sowie leichte Transporter kommen als E-Lösungen in Frage, Hybridantriebe für die Massenmotorisierung: „Und, seien wir ehrlich, Autos mit 500 PS und mehr, braucht doch wirklich kein Mensch“, findet der Wissenschaftler.

Ehrliche Ökobilanz gefordert

Regelrecht eingespeist in diese Überlegungen werden dann auch Fragen nach der jeweiligen Batteriegröße sein. Das Mit- und Nebeneinander verschiedener Technik- und Antriebssysteme setzt also eine Technikoffenheit. Mobilität 2030 ist für den Iserlohner Hochschullehrer Wilhelm Hannibal so etwas wie ein kluger Kompromiss aller Beteiligten.

„Wir haben die letzten vier Jahre in Bezug auf die Kommunikation zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sträflich vernachlässigt“, sagt Hannibal. „Wir müssen den Zyklus eines Autos bei der Ermittlung des CO2-Fußabdrucks von der Rohstoffgewinnung für die Fahrzeugherstellung bis zur schließlichen Komplettumwandlung insgesamt bewerten. Deshalb muss die Diskussion um den mittel- und langfristigen Pkw-Antrieb aber ergebnisoffen und je nach Einsatzfall für die Märkte in der Praxis gesehen werden.“ Dazu gehöre dann zum Beispiel auch die ehrliche Risikoeinschätzung von Autobatterien hinsichtlich ihrer Brandrisiken, Auflademöglichkeiten und am Ende ihrer Entsorgung.