Kassel.. Der Flughafen Kassel-Calden eröffnet heute offiziell den Betrieb mit einem einzigen Charterflug in die Türkei. Die Kritik am 271 Millionen Euro teuren Ausbau des Airports ist groß, der Bund der Steuerzahler moniert die Verschwendung öffentlicher Gelder.

Pünktlich fertig sind sie in Calden immerhin. Anders als in Berlin, das einen neuen Flughafen wahrscheinlich dringender braucht als Calden. Calden? Das Städtchen mit rund 7500 Einwohnern liegt 13 Kilometer nordwestlich von Kassel. 40 Jahre lang hoben vom kleinen Flugplatz ein paar Geschäftsflieger ab; wen es nach Mallorca zog, der fuhr eine knappe Stunde mit dem Auto zur Startbahn nach Paderborn.

Ab dem heutigen Donnerstag soll Kassel-Calden mithilfe einer 2500 Meter langen Piste Nordhessen mit dem Rest der Welt verbinden. Zumindest mal mit Split in Kroatien und Ercan in Nordzypern. Oder Taschkent in Usbekistan. Viel mehr findet man im aktuellen Flugplan nicht. 20 Starts sind aufgelistet. Pro Woche. Und selbst dieser Plan ist ambitioniert, er ist in Teilen eine Wunschliste.

Passagiere werden nach Paderborn kutschiert

 271 Millionen Euro hat der Bau des 40. deutschen Verkehrsflughafens verschlungen, 150 Millionen waren ursprünglich veranschlagt, die Zeche übernimmt der Steuerzahler. Dazu kommen jährliche Betriebskosten. Selbst wenn hier so gut wie niemand einchecken sollte. Für das Jahr 2020 sind ganz mutig 640 000 Passagiere anvisiert. Der Weg ist lang. Sehr lang. Und selbst damit wäre der Airport betriebswirtschaftlich nur schwer zu rechnen. Politiker und Handelskammerfunktionäre, de­nen Hessens damaliger Ministerpräsident Roland Koch 1999 den Flughafen versprach, sind natürlich jetzt schon glücklich.

„Das wird ein Millionengrab“, lästert Condor-Chef Ralf Teckentrup dagegen an der Spitze der Kritiker. Als „ein klassisches Beispiel für den fragwürdigen Umgang mit öffentlichen Mitteln“ verurteilt Joachim Papendick, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Hessen, den Ausbau. Und prophezeit „dauerhafte jährliche Verluste“.

Der Eröffnungsflug am Nachmittag mit dem türkischen Charterflieger Tailwind von Calden nach Antalya wurde nicht gestrichen, beteuert eine Sprecherin auf Nachfrage. Der Flug am Freitag allerdings schon. Sechs Tickets hatte die Airline verkauft. Die Kunden werden nun mit dem Taxi nach Paderborn kutschiert. Dort ist Tailwind ebenfalls Kunde. Wie lange noch? Schwer zu sagen; dass die Türken beide Standorte dauerhaft anfliegen, ist nicht sehr wahrscheinlich.

Regionalflughafen Hahn schreibt längst tiefrote Zahlen

Dass die kleinen Flughäfen sich auf engstem Raum noch Kunden abjagen, verschärft die wirtschaftliche Lage. Der Regionalflughafen Hahn im Hunsrück, einst Paradebeispiel für das Fliegen in die Pampa, schreibt längst tiefrote Zahlen – 2011 waren es zehn Millionen – und ist wie das niederrheinische Weeze von den Launen des irischen Billigfliegers Ryanair abhängig. Der hebt nun auch in Dortmund ab, wo man hofft, das jährliche Minus von 20 Millionen Euro drücken zu können.

Gerd Stöwer, Chef des kleinen Airports Münster/Osnabrück, musste für 2012 fünf Millionen Miese einräumen, 2013 steht ein Verlust von sieben Millionen zu erwarten. Paderborn kalkuliert mit einem jährlichen Minus von rund 1,5 Millionen Euro. Und so weiter und so fort.

Die großen Gesellschaften wollen hier nicht landen

Und wer will in Calden landen? Die großen Fluggesellschaften winken ab. Und die kleinen zittern ums Überleben. XL Airways sollte ab 14. April Mallorca, Fuerteventura und Teneriffa von Kassel aus ansteuern. Die Gesellschaft meldete im Dezember Insolvenz an. Die Flüge sollte die polnische Enter Air übernehmen. Daraus wird aber auch nichts. Jetzt hofft man auf die slowenische Adria Airways. Neben Tailwind wollen es Croatia Airlines, Onur Air und die Germania von Calden aus probieren.

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Airportchef Jörg Ries freilich, von der Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport ausgeliehen, gibt sich trotzdem entspannt und macht das, was alle Flughafenchefs im finanziellen Schleudergang tun: Sie verweisen auf den volkswirtschaftlichen Nutzen für die Region. Im angrenzenden Gewerbegebiet entstünden 2000 Arbeitsplätze. Folgt man diesem Argument, kann der Bau weiterer Flughäfen nicht fern sein.

„Legt man die Kosten auf die tatsächlich entstehenden Arbeitsplätze um, werden die Jobs an den Mini-Airports höher subventioniert als die im Steinkohlebergbau“, ätzte die Lufthansa mit Blick auf die Entwicklung in Calden schon 2005. Es hat nichts genutzt.