Essen. RWE-Chef Schmitz ist entschlossen, den Konzern auf erneuerbare Energien zu trimmen. Zweifel am grünen Anstrich gibt es Aktivisten und Aktionären.

Die erste virtuelle Hauptversammlung des Essener Energiekonzerns RWE beginnt mit einer Panne: Wegen eines Hackerangriffs ist die Übertragung zu Beginn um 10 Uhr gestört. Nach einigen Minuten ist der Schaden wieder behoben.

Ruhe herrscht an diesem Freitag dann aber nur innerhalb des neuen RWE-Campus in Essen. Draußen haben Demonstranten der Umweltorganisation Greenpeace ein großes Transparent an der historischen Fassade der Zentrale angebracht. „Keine Steuergelder für Klimakiller. Kein Geld für gestern“ ist darauf zu lesen. Protest gegen die Entschädigung in Höhe von 2,6 Milliarden Euro, die RWE für den Ausstieg aus der Kohleverstromung erhalten soll, gibt es auch im Rheinischen Revier. Bereits in der Nacht zu Freitag besetzen Aktivisten in Garzweiler einen Bagger. Nach Angaben der Initiative „Einsatz Kohlestopp“ beteiligen sich daran rund 80 Menschen. Auch die Klima-Bewegung Friday’s for Future, die für die Erhaltung des Hambacher Forsts kämpft, demonstriert im Rheinland.


In der per Livestream im Internet übertragenen Hauptversammlung spielt der Protest keine Rolle. RWE-Chef Rolf Martin Schmitz, der mit Ablauf seines Vertrags in einem Jahr aus dem Essener Unternehmen ausscheiden wird und an seinen Vorstandskollegen Markus Krebber übergeben wird, zeigt sich demonstrativ entspannt und zufrieden. Er ist erleichtert, dass die Corona-Pandemie RWE weitgehend verschont hat. „Innerhalb des Unternehmens ist es nicht zu Infektionen gekommen“, sagt Schmitz. Er habe „keinerlei Kurzarbeit“ anmelden und schon gar nicht um Staatshilfe bitten müssen. Allein der Stromverbrauch sei während des Shutdowns leicht zurückgegangen.

RWE-Chef Rolf Martin Schmitz.
RWE-Chef Rolf Martin Schmitz. © FUNKE Foto Services | Michael Gottschalk


Nach dem großen Umbau des Versorgers und dem tiefgreifenden Deal mit dem Wettbewerber Eon sieht sich Schmitz am Ziel. Die neue Aufteilung der Geschäftsfelder der beiden deutschen Energieriesen soll nächste Woche zum Abschluss kommen. „Am kommenden Dienstag folgt der Schlussakkord“, sagte der RWE-Vorstandschef. Dann werde der Geschäftsbereich erneuerbare Energien von der zerschlagenen Tochter Innogy zu RWE zurückkommen.


Eon und RWE hatten im März 2018 einen weit reichenden Austausch von Geschäftsfeldern vereinbart und dazu die RWE-Tochter Innogy unter sich aufgeteilt. Eon übernahm die Energienetze und das Endkundengeschäft von Innogy und reichte zunächst die eigenen erneuerbaren Energien an RWE weiter. Zum Abschluss des Deals wechseln jetzt Windparks und Solaranlagen von Innogy und deren Mitarbeiter zu RWE.


Schmitz will nun das Profil von RWE als „führender Anbieter für Erneuerbare Energien“ schärfen und die Zeit rauchender Kohleschlote und strahlender Atomkraftwerke hinter sich lassen. „Wir steigen konsequent und verantwortungsvoll aus den fossilen Energieträgern aus. Wir haben einen klaren Fokus auf Erneuerbare Energien“, betont der Konzernchef.

Bis 2022 will RWE fünf Milliarden Euro netto in die Hand nehmen, um in Windkraft, Speicher, Wasserstoff und andere Innovationen zu investieren. „Mit Partnern kann die Summe deutlich größer werden“, lässt Schmitz durchblicken. Für den deutschen Markt hat er eine Milliarde Euro reserviert. Ende des Jahres will RWE das erste Kohlekraftwerk abschalten. 2038 soll dann nach Lesart des Ausstiegsgesetzes die Kohleverstromung in Deutschland endgültig Geschichte sein. Als Entschädigung erhalten die Essener 2,6 Milliarden Euro. Nach Angaben von Schmitz hat RWE darüber inzwischen einen Vertrag mit dem Bund geschlossen. Das Geld soll in Raten über 15 Jahre fließen.


Bei aller Entschlossenheit, RWE zu einem grünen Konzern zu machen, äußern nicht nur Klimaaktivisten Zweifel, sondern auch Aktionäre. „Der Kapitalmarkt weiß nicht mehr, wofür RWE eigentlich steht“, sagt Thomas Deser, Portfoliomanager bei Union Investment. Die RWE-Aktie werde noch nicht als Erneuerbare-Energien-Titel wahrgenommen.

Kritik kommt auch von Vanessa Golz von Deka Investment. Unter den Dax-Konzernen belege RWE nach wie vor eine „Spitzenposition beim CO2-Ausstoß“, moniert die Nachhaltigkeitsexpertin. „Beim Transformationsprozess zur Klimaneutralität ist die Ampel für RWE gerade von Rot auf Gelb gesprungen“, sagt Golz. Um Grün zu sehen, müsse sich der Konzern „noch erheblich anstrengen“. Sie moniert: „In den Köpfen vieler Investoren ist RWE noch immer eher mit Braunkohle und Tagebau verbunden anstatt mit Solar- und Windkraftanlagen.“

Die Bilder vom illegal besetzten Bagger in Garzweiler und die vernichtende Kritik am Entwurf für das Kohleausstiegsgesetz, den das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedet hatte, untermauern den Eindruck. „Das geplante Gesetz ist ein Klimaverbrechen“, erklärt Ronja Weil von der Initiative Ende Gelände. „Mit dem Kohleverlängerungsgesetz finanziert die Regierung noch zwei Jahrzehnte eine zerstörerische Industrie.“ Damit meint Weil auch RWE, Arbeitgeber von rund 10.000 Beschäftigten im Rheinischen Revier.