Cupertino. Nachdem der US-Elektronikkonzern Apple am späten Mittwochabend seine aufsehenerregenden Quartalszahlen vorgestellt hatte, verlor er innerhalb von Minuten rund 50 Milliarden Euro an Börsenwert. Steckt das wertvollste Unternehmen der Welt in der Krise? Ist die Premium-Strategie am Ende? Eine Analyse.
Apple hat noch nie so viele iPhones und iPads verkauft wie im Weihnachtsquartal 2012. Trotz des damit verbundenen Rekordumsatzes konnte Apple aber keinen höheren Gewinn verzeichnen. Vor allem die Produktoffensive des iPad Mini lässt den Gewinn schrumpfen. Apples Aktionäre sind enttäuscht.
Die Zahlen:
Die lesen sich beeindruckend: Am Mittwochabend gegen 23.14 Uhr deutscher Zeit verschickte der US-Konzern die ersten Pressemitteilungen. „Im zurückliegenden Quartal erzielte Apple einen Umsatz von 54,5 Milliarden US-Dollar sowie einen Netto-Quartalsgewinn von 13,1 Milliarden US-Dollar“, ist dort zu lesen.
Damit konnte Apple noch einmal den Umsatz des vorausgegangenen Quartals übertreffen, obwohl der Abrechnungszeitraum mit 13 Wochen eine Woche kürzer als das Vorquartal war. Der Gewinn? Identisch. Auch setzte Apple mit 47,8 Millionen iPhones und 22,9 Millionen iPads so viele Smartphones und Tablet-Computer ab wie noch nie.
Und trotzdem ging der Aktienkurs auf Talfahrt, die Händler reagierten auf die Zahlen mit Panikverkäufen. In kurzer Zeit waren 50 Milliarden Dollar Börsenwert vernichtet – etwa so viel wie die Devisenreserven Nigerias.
Die Strategie:
Bislang hat Apple viel Erfolg damit gehabt, hochpreisige Produkte zu verkaufen. Apple versteht es noch immer bestens, mit seinen Elektronikspielzeugen ein Lebensgefühl zu transportieren. Dafür ist die Kundschaft bereit, tiefer in die Tasche zu greifen. Auch deshalb konnte der Konzern so fantastische Gewinne erzielen. Das Spitzenmodell von Apples iPhone kostet etwa in Deutschland rund 900 Euro, vergleichbare Modelle der Konkurrenz sind schon für 300 bis 400 Euro weniger zu haben.
Allerdings gibt es erste Anzeichen, dass Apple zumindest sein Produktportfolio nach unten abrunden könnte. Es halten sich nämlich hartnäckig Gerüchte, der Konzern könne noch in diesem Frühjahr eine Billigversion seines beliebten Smartphones iPhone auf den Markt bringen. Das wäre nur folgerichtig. Denn in Apples zweitwichtigstem Markt, der Volksrepublik China, boomen vor allem Smartphones bis 200 Dollar. Und da hat Apple zurzeit nichts zu bieten.
Zudem verkauft sich das neueste iPhone 5 nicht so wie erhofft. Vor gut einer Woche war durchgesickert, dass Apple die Bestellung von Bauteilen für sein Premium-Handy zurückgefahren hatte. Schon damals sackte der Börsenkurs ab. Die Apple-Aktie ist zurzeit etwa 514 Dollar wert, im September 2012 hatte sie noch bei 705 Dollar gestanden. Das ist vor allem für die Anleger schmerzlich, die zum damaligen Zeitpunkt einstiegen in dem Glauben, der Kurs könne noch weiter zulegen.
Die Märkte:
Apples wichtigster Markt bleibt auch mittelfristig die USA. Hier setzen die Kalifornier die meisten Geräte ab, konnten den Absatz sogar noch steigern. Trotzdem verlieren sie Marktanteile. Weil der Markt noch stärker wächst. Davon profitieren vor allem mobile Endgeräte auf Basis von Googles Betriebssystem Android. So verringerte sich Apples Marktanteil bei Tablets auf dem US-Markt im vergangenen Jahr von 59,7 Prozent auf 50,4 Prozent.
Auch in Deutschland gerät der US-Konzern unter Druck. Jedes zweite hierzulande verkaufte Smartphone basiert auf dem Android-System. Bei den Herstellern hat Samsung die Nase vorn. Über 30 Prozent der verkauften Geräte sind Produkte der Koreaner. Apple, Erfinder des Smartphones heutiger Prägung, muss sich mit rund 20 Prozent Marktanteil begnügen. Auf Platz drei folgt Nokia. Und mit dem neuen Lumia 920 auf Windows-Phone-Basis haben die Finnen endlich wieder ein Telefon im Programm, das es mit den Produkten von Samsung, Apple, HTC und Google aufnehmen kann.
Wie geht’s weiter?
Analysten gehen davon aus, dass die Märkte irgendwann gesättigt sein, die Smartphone-Verkäufe deutlich zurückgehen werden. Nicht nur Apple wird das zu spüren bekommen, sondern auch die Konkurrenz. Gleichwohl wird der Umsatz von Apple sinken.
Nicht nur auf dem Smartphone- und Tablet-Markt bekommt Apple zunehmend Konkurrenz. Auch beim Verkauf von Filmen, Musik und Apps könnte Apple nicht mehr so gut verdienen wie bislang. Der US-Konkurrent Amazon etwa holt auf, bringt auch eigene Geräte heraus, kopiert die Apple-Strategie des geschlossenen Systems.
Das iPhone hat Geburtstag
Um seine Marktposition zu behaupten, müssen die Kalifornier deshalb mehr Geld für Werbung und Produktentwicklung ausgeben. Auch das wird den fantastischen Gewinn reduzieren.
Nichtsdestotrotz: Apple wird nicht von heute auf morgen ein Hersteller unter vielen werden: Der Konzern hat es bislang immer wieder aufs Vortrefflichste verstanden, sich neu zu erfinden. Schon seit Jahren brodelt die Gerüchteküche, Apple könne einen eigenen Fernseher auf den Markt bringen und so Internet und TV miteinander verschmelzen. Bislang ist das zwar noch keinem Hersteller gelungen, aber Apple war schon immer gut darin, Ideen anderer zur Marktreife zu bringen und damit glänzend zu verdienen.