Dortmund..

Hunderte Menschen stürmen die Finanzämter, die Telefone glühen. Der Grund: Die neuen elektronischen Steuerkarten sind in vielen Fällen fehlerhaft. Für den Bund der Steuerzahler ist das ein "großes Ärgernis", doch er sieht in dem Chaos sogar Vorteile.

Die Umstellung der Lohnsteuerkarte von Papier auf ein elektronisches Abrufverfahren löst ein heilloses Durcheinander aus. Weil auf aktuell hunderttausendfach verschickten Infoschreiben fehlerhafte persönliche Angaben stehen, glühen die Rufnummern in den Finanzämtern. Bürger kommen tagelang nicht durch, um Korrekturen durchzugeben und schlagen in langen Schlangen in den Bürgersprechstunden der Behörden auf. Und das, obwohl noch gar nicht alle Bürger Bescheid bekommen haben.

„Wir verschicken bis Ende Oktober in mehreren Tranchen 250.000 Infoschreiben an Steuerzahler in Dortmund, Bochum, Herne und Lünen“, berichtet der stellvertretende Behördenleiter in Dortmund-Hörde, Udo Eggemann. „Wenn nur ein Bruchteil zum Hörer greift, um Änderungen mitzuteilen, ist unsere Hotline überlastet.“ Und das betrifft nicht nur das Finanzamt Dortmund: Vielerorts wird erhebliche Mehrarbeit bemängelt – in Verbindung mit verärgerten Bürgern. Allein in Hagen sind zwei Mitarbeiter für Änderungen abgestellt – „die kommen zu nichts anderem mehr“, sagt die zuständige Bereichsleiterin Karen Junge. Die Fehlerquote beträgt hier knapp ein Prozent.

"Ein großes Ärgernis für die Bürger"

Der Bund der Steuerzahler reagierte auf die Recherchen verhältnismäßig gelassen: „Natürlich ist das ein großes Ärgernis für die Bürger“, sagte Hans-Ulbrich Liebern, Leiter der Steuerabteilung, „doch überraschen tut uns das nicht.“ Fehler in dem Umfang seien, so Liebern, bei einer so großen Umstellung nicht zu vermeiden. Deutlich kritischer bewertet er die Zeitplanung: „Zeit hatten die Verantwortlichen genug, zumal wir 2011 mit der Lohnsteuerkarte des Vorjahres arbeiten. Jetzt bricht Ende des Jahres unnötig Hektik aus.“

Bei all dem Ärger hat die Umstellung auch seine guten Seiten: Die Kommunikation zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Finanzämtern und Meldebehörden soll durch das papierlose Verfahren künftig erheblich vereinfacht werden. Zudem muss die Steuerklasse 4/4 anstatt 5/3 gar nicht fehlerhaft sein, weiß Wilfried Apitz, stellvertretender Leiter des Finanzamtes Arnsberg. Mehr noch: „In der Regel begünstigt diese Steuerklasse die Betroffenen sogar. Nur: Dieses Verfahren kennt niemand.“

"Ganze Karawanen" von Bürgern im Finanzamt

Ganze Karawanen“ suchen nach Information von Udo Eggemann den Weg in die Bürgersprechstunden. Alleine in seiner Dienststelle, dem Finanzamt Dortmund-Hörde, seien am Montag 230 Besucher gezählt worden. Es sei klar, dass das mit langen Schlangen und entsprechender Wartezeit verbunden sei. Den Flaschenhals könne das Finanzamt mit dem bestehenden Personal kaum bewältigen, zumal aktuell Ferienzeit sei. Jetzt soll immerhin die Hotline personell besser aufgestellt werden.

Die Korrekturen der Lohnsteuermerkmale seien nicht eilbedürftig, sagt Udo Eggemann vom Finanzamt Dortmund-Hörde. Er empfiehlt „abzuwarten“. Das gelte ganz besonders für den Pauschbetrag für behinderte Menschen. Dafür sei nämlich noch ein ergänzendes Anschreiben in Vorbereitung, das im November verschickt werde. Entsprechende Vordrucke gibt es unter www.fm.nrw.de.

Steuerzahlerbund kritisiert unnötige Hektik

Wer nur in Ausbildung befindliche Kinder über 18 nachmelden wolle, könne dort elektronische Vordrucke finden und elektronisch einreichen. Formulare für Steuerklassen-Änderungen seien auch dort zu finden und müssten von beiden Ehepartnern unterschrieben werden. Einen vereinfachten Antrag fänden auch Arbeitnehmer dort, die unveränderte Fahrtkosten zur Arbeitsstelle als Werbungskosten eintragen lassen wollten. Für neue Einträge gebe es ausführliche Antragsformulare ebenfalls im Internet.

Eine beruhigende Botschaft aber zieht Hans-Ulbrich Liebern dann doch noch aus den fehlerhaften Datensätzen: „Wir sind offenbar doch nicht der gläserne Bürger, über den die Behörden alles wissen.“ Für viele gewiss nur ein schwacher Trost.

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Von Gerald Nill, Dennis Betzholz