Essen. Der Bundesrat wehrt sich gegen Pläne der EU-Kommission, eine Pflicht zum Einbau intelligenter Strom- und Gaszähler zu erlassen. Die öffentliche Hand müsste dafür Milliarden Euro ausgeben. Woher das Geld kommen soll, sei aber unklar.
„Smart Metering“ klingt modern. Der intelligente Stromzähler ist ein Alleskönner. Sekundengenau misst er den Verbrauch. Er checkt, wie viel Strom Spülmaschine, Wäschetrockner, TV-Gerät und PC über Tag oder Nacht schlucken. Er kann ihren Einsatz in verbrauchsarmen Zeiten steuern und gibt alle Daten an das Versorgungsunternehmen weiter, das wiederum Kunden per Internet mit dem Hinweis informiert, wo sie denn sparen sollten. Abrechnungen gibt es nicht mehr jährlich, sondern monatlich.
Die EU-Kommission will dieses Zauber-Ding – und weit mehr noch – allen Verbrauchern vorschreiben. „Die billigste Energie ist die, die man nicht verbraucht“, ist die klare Ansage von EU-Energiekommissar Günther Oettinger. So heißt es im Artikel 8 seiner neuen Richtlinie zur Energieeffizienz: „Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass Strom-, Erdgas-, Fernwärme- oder Fernkälte- und Fernwarmwasserkunden individuelle Zähler erhalten, die genau messen, das Ablesen ihres tatsächlichen Energieverbrauchs ermöglichen und Informationen über die tatsächliche Nutzungszeit bereitstellen“.
Ab 2014 soll diese gelten, damit – ab 2020 – 20 Prozent weniger Energie in Europa nötig ist. Jedes Jahr sollen alleine die Haushalte 1,5 Prozent einsparen. Gerold Happ vom Eigentümer-Verband „Haus und Grund“ ahnt, was da auf uns zu kommt: „Mieter wie Vermieter werden dabei sein“, sagt er. „Einige hundert Euro“ könne alleine die Totalumrüstung der Zähler in den Kellern kosten.
Für viele Politiker der Bundesländer ist die EU-Richtlinie purer Sprengsatz. „Gegen die Maßnahmen bestehen erhebliche Bedenken“, steht in der Vorlage für den Bundesrat, der heute die Energiesparpläne der EU diskutieren wird. „Auch der flächendeckend verpflichtende Austausch der bisherigen Zähler sollte nicht vorgeschrieben werden.“
Eingriff in den Alltag
Es droht ein Aufstand. 72 Punkte monieren die Länder am 88 Seiten dicken EU-Plan. Ein Misstrauen in ungewöhnlichem Umfang. Schon früh hatte auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen vor „Bevormundung“ gewarnt.
Die Brüsseler Kommission greift tief in den Alltag der Bundesbürger ein – und in die Kasse von Bund, Ländern und Gemeinden. Der Staat muss viele Berichte (Wärme-, Kältepläne) schreiben, darf den Bau neuer Wärmekraftwerke nur noch in der Nähe der Verbraucher zulassen. Die Kommunen – sie haben 178 000 Gebäude – werden Schulden machen müssen wegen der Pflicht, jährlich drei Prozent davon energetisch zu sanieren.
Doch was beim Bund wegen der überschaubaren Anzahl seiner Verwaltungsbauten noch gehen mag, trifft die Städte bis in den eigenen Wohnungsbestand. „Die vorgeschlagenen Maßnahmen erfordern Milliarden-Investitionen, ohne dass erkennbar ist, wie diese finanziert werden sollen“, protestiert die Ländervertretung. Kuriose Folge: Denkmalgeschützte Rathäuser, die wegen des Alters kaum wärmedicht werden, sind dann nicht mehr nutzbar. Bürgermeister müssten ausziehen.
Kiels Datenschutzbeauftragter warnt vor dem gläsernen Verbraucher
Detailliert schreibt das Brüsseler Papier vor, wie sich die Kommission den energiesparsamen EU-Bürger vorstellt: Meist monatlich (bei Strom und Zentralheizung) soll er seine Abrechnungen bekommen, zweimonatlich beim Wasser – und gleich bei unabhängige Experten nach „Benchmarkprofilen für seinen Verbrauch“ rückfragen können.
Eigentlich bietet das aus Verbrauchersicht auch Chancen. Die Kontrolle über die Nebenkosten wird erleichtert. Doch Kiels Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert warnt vor dem „gläsernen Verbraucher“. Ganze Familienleben können mit der kleinteiligen Abrechnung nachgezeichnet werden. Wer wann wie viel Fernsehen guckt. Wer viel kocht. Wer nur vor dem Internet hockt. Den freiwilligen Einbau erster „intelligenter Zähler“ haben die Stadtwerke Münster genutzt, um schon Mahn-Mails anzubieten. Wer zu viel verbraucht, bekommt elektronisch den Zeigefinger.