Essen. Die katholische Kirche wird sich nun doch nicht vom Weltbild-Verlag trennen. Stattdessen soll der Buchhändler in eine kirchliche Stiftung ausgegliedert werden. Damit widersetzen sich die Bischöfe dem Papst, der wegen der Pornos im Weltbild-Sortiment einen Verkauf gefordert hatte.
"Es ist an der Zeit, die weite Verbreitung von Material erotischen oder pornographischen Inhalts, gerade auch über das Internet, energisch einzuschränken." Mit diesem Machtwort (hier die Rede im Wortlaut) hatte sich Papst Benedikt XVI. im November 2011 in den Porno-Skandal um den katholischen Weltbild-Verlag eingemischt. Der Heilige Stuhl werde darauf achten, "dass der notwendige Einsatz gegenüber diesen Missständen seitens der katholischen Kirche in Deutschland vielfach entschiedener und deutlicher erfolgt", so Benedikt weiter.
Doch die mahnenden Papstworte verhallten offenbar ungehört. Der Weltbild-Verlag werde nicht verkauft, teilte Weltbild am Donnerstag mit. Stattdessen sollen die Anteile, die sich derzeit noch im Besitz von zwölf Bistümern, dem Verband der Diözesen Deutschlands und der Soldatenseelsorge Berlin befinden, in eine kirchliche Stiftung übergehen. Die bisherigen Eigentümer verzichten auf den Verkaufserlös und zukünftige Gewinnausschüttungen.
Wer kontrolliert die Weltbild-Stiftung?
Wer diese Stiftung kontrolliert, ist noch völlig unklar. Die Umsetzung werde Monate dauern, sagt Carel Halff, Geschäftsführer des Weltbild-Verlags, "Ich gehe, wie immer bei unseren Gesellschaftern, davon aus, dass alles sehr sorgfältig erarbeitet und erwogen wird." Der Verband der Diözesen Deutschlands, einer der bisherigen Weltbild-Eigentümer, möchte sich auf Anfrage der WAZ Mediengruppe nicht dazu äußern, wie die Stiftung arbeiten wird.
Bekannt ist bislang nur, dass es eine kirchliche Stiftung öffentlichen Rechts sein soll, die "ausschließlich gemeinnützige, kulturelle und kirchliche Ziele" verfolgt. Derartige Stiftungen unterstehen keiner staatlichen Aufsichtsbehörde, sondern unterliegen dem Kirchenrecht. Bekanntes Beispiel für ein solches Modell ist die Heilig-Kreuz-Stiftung in Gladbeck, die sich der Förderung des Gottesdienstes in der gleichnamigen Kirche verschrieben hat.
Titel wie "Vögelbar" und "Schlampeninternat" im Weltbild-Sortiment
Zuvor war in Deutschland ein offener Streit darüber ausgebrochen, ob die katholische Kirche, die über ihre Bistümer bislang Eignerin des Weltbild-Verlags ist, zulassen dürfe, dass der Verlag pornografische oder zumindest erotische Literatur vertreibe. Buchtitel wie "Schlampeninternat", "Anwaltshure" oder "Vögelbar" ließen Zweifel daran aufkommen, ob der Weltbild-Verlag die strengen Richtlinien der katholischen Kirche einhalte.
Wer heute im Weltbild-Onlineshop nach diesen Titeln sucht, findet sie nicht mehr. Offenbar hat der Verlag infolge der Affäre strengere Filter eingezogen - oder von Hand nach der anstößigen Literatur gesucht. „Wir haben damals sofort einzelne Titel aus dem Angebot entfernt", erklärt zumindest Weltbild-Geschäftsführer Carel Halff im Münchner Kirchenradio. Wer sich hingegen für "Sündige Geheimnisse eines Lords" oder "Wild wie mein Verlangen" interessiert, wird bei Weltbild heute noch fündig.
Eigner fanden keinen Käufer für Weltbild
Wohl auch deswegen hatten die Gesellschafter einen Schlussstrich ziehen wollen: Weltbild sollte verkauft werden. Das habe man dem Aufsichtsrat mit auf den Weg gegeben, verkündeten die Gesellschafter via Pressemitteilung im November. Doch die Suche nach einem Käufer war vergebens. Deshalb nun die Stiftungslösung.
Joachim Kardinal Meisner poltert seit Jahren gegen die Beteiligung der Kirche an Weltbild. Seine eigene Diözese ließ der Kölner Erzbischof schon 2008 ihre Anteile an den Diözesen-Verband abtreten. Seitdem fordert Meisner regelmäßig den Komplett-Verkauf. "Es geht nicht, dass wir in der Woche damit Geld verdienen, wogegen wir sonntags predigen", sagte er in einem Interview der "Welt am Sonntag". Das sei "einfach skandalös". Allerdings wollte sich Meisner nicht zu der Stiftungslösung äußern, solange diese nicht in trockenen Tüchern sei.
Geschäftsführung und Verdi sind mit Stiftungsmodell zufrieden
Während die Kirche also noch auf der Suche nach einer Position ist, haben sich Geschäftsführung und Beschäftigte schon klar geäußert. Man begrüße die Entscheidung, teilte die Weltbild-Geschäftsführung mit. Die Stiftungslösung gebe dem Unternehmen eine gute Stabilität und Perspektive angesichts der Umbruchsituation im Buchmarkt.
Die Gewerkschaft Verdi freut sich, dass die ewigwährende Hängepartie um die rund 6400 Jobs vorläufig beendet scheint. "Diese Nachricht beruhigt uns zunächst einmal", sagte Verdi-Sekretär Thomas Gürlebeck. Durch die Gründung einer Stiftung sei die Gefahr abgewendet, dass Weltbild "von einer Heuschrecke übernommen werden könnte", sagte der Gewerkschaftssprecher.
Endet die Diskussion um das Weltbild-Sortiment nun?
Doch unter den Beschäftigten herrscht Unmut darüber, dass sie erst aus der Presse erfahren haben, wie es mit ihrem Unternehmen weitergeht. "Kein Mensch kann mir weis machen, dass ein Geschäftsführer, der seit über 30 Jahren im Amt ist, keine Signale bekommen hat, was die Kirche plant", beklagt sich ein Mitarbeiter in einem von Verdi eingerichteten Forum. Zudem fürchten einige, dass sich die Arbeitsbedingungen verändern: "Was mir Bauchschmerzen verursacht, ist die Tatsache, dass wir durch die Stiftungsgründung noch näher an die Kirche rücken", schreibt ein Mitarbeiter.
Für die Bischöfe dürfte der leidige Streit um den kircheneigenen Verlag endlich beigelegt sein. Der Debatte, welche Bücher ins Sortiment eines katholischen Verlages gehören, entgehen sie mit der Stiftungslösung allerdings nicht. Mal schauen, was der Papst dazu sagt.