Dortmund. Kiew, Lwiw und Charkiw werden von Dortmund aus nicht angeflogen. Flughafenchef van Bebber erklärt, wie sehr die Ukraine-Passagiere fehlen.

Der Flughafen Dortmund bezeichnet sich selbst als das Tor zum Osten Europas. Mit dem Einmarsch des russischen Militärs hat es sich zur Ukraine unmittelbar geschlossen. Um 8.40 Uhr sollte am Samstag laut Plan ein Airbus A320 der ungarischen Fluggesellschaft Wizz Air von Dortmund aus in Richtung Kiew abheben. Flug storniert. Wie auch die Flüge nach Lwiw (Lemberg) und die laut Medienberichten schwerst umkämpfte Universitätsstadt Charkiw im Norden der Ukraine. Diese drei Direktflugziele wurden aus der westfälischen Metropole bis vor wenigen Tagen noch mehrfach pro Woche angeflogen.

In der Spitze, im Vor-Coronajahr 2019, zählte man am Flughafen Dortmund 150.000 Passagiere pro Jahr im Ukraine-Reiseflugverkehr. „Es waren gut entwickelte Ziele“, sagt Flughafenchef Ludger van Bebber. Im vergangenen Jahr waren es trotz Einschränkungen durch die Corona-Pandemie immer noch knapp 100.000 Fluggäste auf den drei genannten Strecken.

Empfehlungen des Ministeriums

Vor allem die ungarische Fluggesellschaft Wizz Air sorgte in den vergangenen Jahren dafür, dass Dortmund mit ethnischem Reiseverkehr bei den Fluggastzahlen relativ so stark zulegte wie kein anderer deutscher Verkehrsflughafen. Neben der Ukraine sind es vor allem Ziele in Polen, Rumänien, dem Baltikum oder auch in die direkt ans Kriegsgebiet grenzende Republik Moldau am Schwarzen Meer. Noch finden die Flüge nach Chisinau statt, über eine Aussetzung dürfte derzeit nachgedacht werden.

Seit dem 24. Februar hebt in Dortmund kein Flieger mehr zu den Zielen in der Ukraine ab.
Seit dem 24. Februar hebt in Dortmund kein Flieger mehr zu den Zielen in der Ukraine ab. © WP Wirtschaft | Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Seit dem 24. Februar, dem Tag des Kriegsbeginns, gilt der Stopp der Flüge von Deutschland aus in die Ukraine. Bereits am Vorabend hatte das Bundesverkehrsministerium nach eigenen Angaben alle nötigen Vorkehrungen getroffen, Kontakt mit betroffenen Verbänden und Luftfahrtunternehmen aufgenommen, und empfohlen, den ukrainischen Luftraum zu vermeiden. Das Bundesverkehrsministerium tausche sich tagtäglich mit dem Auswärtigen Amt und dem Krisenstab der Bundesregierung über die Lage aus und gebe entsprechende Empfehlungen beziehungsweise Anweisungen für den Luftverkehr aus, sogenannte Notams (Notice to Air Missions). „Bevor ein Pilot startet, muss gesichert sein, dass er das Notam für seine Strecke vor sich liegen hat“, erklärt eine Ministeriumssprecherin.

Am Mittag des 24. Februars rief die Berliner Behörde ein verbindliches Flugverbot aus. Die Gültigkeit beträgt zunächst vier Wochen. Einen Tag später, am 25. Februar, wurde die Sperre um eine Empfehlung erweitert: Sie besagt, dass die an die Ukraine angrenzenden Lufträume Russlands und Weißrusslands in einem Bereich von 200 nautischen Meilen (zirka 360 Kilometer) zu meiden seien.

Am heutigen Tag bleibt es höchst ungewiss, wann ein geregelter, ziviler Flugverkehr in Richtung Osten wieder möglich sein wird. Bislang seien die Flüge von Dortmund nach Polen oder auch ins Baltikum in keiner Weise betroffen, sagt Ludger van Bebber.

Was den Flughafenchef und sein Team am Airport Dortmund dieser Tage umtreibt, sind nicht in erster Linie die Zahlen oder die Frage, wie sich der Stopp in den ohnehin durch die Corona-Pandemie strapazierten Geschäftsbüchern niederschlägt. „Was uns am Flughafen bedrückt, sind die Schicksale der Menschen, die hier regelmäßig abgeflogen und angekommen sind, die das Terminal belebt haben und heute mit vielleicht unfassbarem Leid konfrontiert sind. Es ist für uns nicht abstrakt!“

Steigende Fluggastzahlen erwartet

Tatsächlich macht der von der Wizz Air beflügelte ethnische Reiseverkehr in Dortmund einen erheblich Anteil am Passagieraufkommen aus. Wie sich die Zahlen in Dortmund in diesem Jahr entwickeln werden, hängt also natürlich wesentlich von der Entwicklung im osteuropäischen Flugverkehr ab.

Van Bebber rechnet derzeit damit, dass die Gesamtzahlen in diesem Jahr wieder besser werden als in den beiden Vorjahren (siehe Infobox). „Klassische Urlaubsziele wie Mallorca werden sicher wieder das Niveau von 2019 erreichen“, schätzt der Experte – Stand heute.

Es deutet sich aktuell an, dass die Reiselust der Deutschen durch zwei Jahre Pandemieeinschränkungen gestiegen ist. Mittelmeerziele werden bereits jetzt stark nachgefragt.

Mit Blick auf die drei ukrainischen Städte rechnet man in Dortmund damit, dass die Nachfrage wieder einsetzen wird, sobald der Krieg beendet ist – und sofern die Flughäfen dann überhaupt noch intakt sind.

Ziele ab Dortmund in Ost- und Südosteuropa

Flüge in die Russische Föderation werden von Dortmund aus nicht angeboten. Zu den Zielen in Osteuropa zählen neben der Ukraine vor allem polnische Städte wie Danzig, Krakau und Kattowitz, das Flugziel mit den meisten Passagieren pro Jahr, noch vor Palma de Mallorca.Darüber hinaus starten in Richtung Osten und Südosten in Europa Flüge ins Baltikum (Riga/Lettland; Vilnius/Litauen), nach Georgien (Kutaissi), in die Republik Moldau (Chisinau) sowie zu mehreren Zielen nach Rumänien und Bulgarien und auf dem Balkan.